Magische Magneten

■ Lautsprecher haben sie, Festplatten auch, jetzt halten sie Einzug in die Medizintechnik: magnetische Flüssigkeiten, mit denen sich zurzeit eine Tagung in Bremen beschäftigt

Es sieht aus wie eine kleine Wunderwelt aus Ahornsirup. Ein Bäumchen, kaum fünf Zentimeter groß, das gerade von einem Magneten in die Höhe gezogen wurde. Das sich aus der eben noch schwarzen, trägen Sirupmasse schwupp fünf Zentimeter gen Anziehungskraft emporschraubt. Einfach so. Und gegen jede Regel der Physik – nach denen es gar keine magnetischen Flüssigkeiten gibt.

„Zauberflüssigkeit“, nennt Professor Hans-Josef Rath von der Uni Bremen die Suppe mit den seltsamen magnetischen Eigenschaften – während alle anderen Stoffe ihre Anziehung zum Nord- oder Südpol verlieren, sobald sie schmelzen und flüssig werden. Dabei ist das, was aussieht wie Ahornsirup oder Tinte, nichts anders als Öl (oder Wasser) angereichert mit magnetischen Minisplittern (schlichtweg: Rost).

„Ferrofluide“ ist der offizielle Fachterminus der Wissenschaft für die magnetischen Flüssigkeiten, über die rund 300 Experten aus aller Welt diese Woche an der Uni Bremen diskutieren. „Eine spannende Angelegenheit“, befindet nicht nur der hiesige Magnetismus-Experte Stefan Odenbach. Schließlich lassen sich Ferrofluide ohne direkte Berührungspunkte um Ecken lenken, wie ferngesteuert durch Magneten.

Inzwischen werden magnetische Flüssigkeiten serienweise in Lautsprechern und Festplatten zum Beispiel zum Abdichten und zur Kühlung benutzt. Es reichen jeweils ein paar Tröpfchen. Mehr als 50.000 Patente gibt es inzwischen weltweit. Aber erst seitdem Ferrofluide auch in der Krebstherapie eingesetzt werden können, ist die Erfindung aus den 60er Jahren wieder ziemlich im Gespräch.

Odenbachs 16 Mitarbeiter in Bremen müssten meist an ihren braun-schwarzen Fingern zu erkennen sein – von der Arbeit mit dem Sirup. Schwappen die Ferrofluide auf Finger und Hände, würde man Wochen brauchen, um die dunklen Teilchen aus den Hautporen zu schrubben. Textilien kann man gleich wegwerfen, meint auch Mitarbeiter Thomas Völker. Nicht nur deshalb geht man im Labor richtig vorsichtig mit der Flüssigkeit um: Bis zu 10.000 Mark kostet ein Liter Ferrofluid.

Schwerpunktforschung mit magnetischen Flüssigkeiten gibt es inzwischen an rund 30 Hochschulen in Deutschland, einer der größten Forschungsschwerpunkte hat sich an der Uni Bremen etabliert. Und seitdem immer mehr Anwendungsmöglichkeiten entwickelt werden, scheint sich eine kleine magnetische Revolution anzubahnen. Erst jüngst veröffentlichten Wissenschaftler im Fachblatt Nature neus-te Tests: Ölverschmierte Seevögel könnte man in eine magnetische Flüssigkeit auf Ölbasis tauchen, so dass sich die Öle mischen. Und anschließend – schwuppdiwupp – mit dem Magneten das Zeug aus den Federn saugen. Wie gut das so einem Federvieh aber wirklich tut, muss indes noch weiter erforscht werden.

In der Medizin hat man dagegen schon erste Erfolge erzielt: Statt Tumore mit Chemotherapien zu bekämpfen, die auch die gesunden Zellen schädigen, könnten Medikamente in Ferrofluiden per Magnet dort gehalten werden, wo der Tumor sitzt, erklärt Odenbach. Oder noch besser: Ein magnetisches Wechselfeld lässt die Teilchen der Ferrofluide im Tumor zwischen Nord- und Südpol stetig hin- und herzucken. Durch die Bewegung entsteht Wärme, durch die Wärme würde der Tumor quasi „weggekocht“, ohne das Gewebe rundum zu beschädigen, ergänzt Kollege Völker. Doch das sei alles noch in der klinischen Entwicklung.

Selbst bei der Diamant-Schürfung ließe sich die magische Flüssigkeit einsetzen. In dem zähen Sirup versinken Diamanten und Schutt wegen ihrer Dichte unterschiedlich stark. Oben blieben die Diamanten schwimmen, die so- gleich gen Förderband transportiert werden könnten, während der Schutt einfach unten wegsackt.

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