Zeit der kleinen Revanchen

Bei den Triathlon-Weltmeisterschaften in Kanada halten sich die neuen Titelträger Peter Robertson und Siri Lindley für entgangenes Edelmetall bei den Olympischen Spielen im Vorjahr schadlos

aus Edmonton FRANK KETTERER

Simon Whitfield streckte die Hand aus, noch ehe er das Ziel erreicht hatte. Der erste Weg danach führte den Olympiasieger direkt zu Peter Robertson, den Australier, der die Glückwünsche mit einem breiten Lächeln im Gesicht entgegennahm, bevor er weiter das wunderbare Gefühl auskostete, der neue Weltmeister im Triathlon über die Olympische Distanz zu sein. Und so bekam das Publikum im malerischen Hawrelak-Park von Edmonton von seinen Helden doch wenigstens einen Moment sportlicher Größe geschenkt, wenn es schon auf den so sehr herbeigesehnten Weltmeisterschafts-Titel hatte verzichten müssen. Denn Whitfield, in Kanada seit seinem Sensationssieg in Sydney als „Olympic Hero“ bekannt, musste bei der WM im eigenen Land nicht nur dem kleinen M. Robertson, sondern auch noch vier weiteren Konkurrenten den Vortritt lassen, was auf den Tribünen allgemein als Enttäuschung empfunden wurde.

Robertson, der neue Weltmeister, dürfte mit seinem kanadischen Sportskameraden gefühlt haben; wie es prinzipiell ist, wenn der Druck der nationalen Erwartungen die Beine lähmt, hatte der Australier nämlich ausgerechnet bei Whitfields Sternstunde selbst erleben müssen: Vierter wurde Robertson bei Triathlons Olympiapremiere, was auch deswegen einer nationalen Tragödie gleichkam, weil in Sydney gar keiner der zuvor so hoch gewetteten „Aussies“ den Sturm aufs Treppchen schaffte. Dass ihnen nun ausgerechnet im Land des Olympiasiegers die Revanche glückte, dürfte die Triathlonwelt unter Australiens Sonne wenigstens wieder halbwegs in Ordnung gebracht haben, zumal durch Chriss Hill auch Silber nach Down Under ging.

Solches hatte es bei den Olympischen Spielen auch für die deutschen Dreikämpfer gegeben, Stephan Vuckovic hatte es sich so fröhlich auf der Ziellinie ertanzt. In Edmonton aber fehlte der kahlköpfige Mann aus Reutlingen, weil ihn ein dubioser Virus schon im Vorfeld außer Gefecht gesetzt hatte – und mit ihm fehlten der Deutschen Triathlon Union (DTU) von vornherein sämtliche Ambitionen auf eine Spitzenplatzierung. Weil auch der Rostocker Andreas Raelert krankheitshalber hatte passen müssen und der Darmstädter Lothar Leder, im Juni immerhin deutscher Meister auf der Kurzstrecke geworden, wieder lieber Siege auf der Ironman-Distanz feiert, war es kaum mehr als die zweite Garde, die Bundestrainer Ralf Ebli in Edmonton ins Rennen schicken konnte, zumindest bei den Männern.

„Wir sind hier, um zu lernen und Erfahrungen zu sammeln“, hatte Ebli schon vor dem Rennen seine Losung ausgegeben, was darunter auf internationalem Parkett zu verstehen ist, bekam Daniel Unger, auf Rang 22 bestplatzierter Deutscher, schon beim Schwimm-Start zu spüren. „Da hat mir gleich am Anfang mein Nebenmann die Schwimmbrille weggeschlagen“, wunderte sich Unger später über die rauen Sitten, beim Wechsel aufs Rad verlor er dann auch noch einen seiner Schuhe. Immerhin aber konnten er und sein Mannschaftskamerad Maik Petzold, am Ende 24., bis zum Wechsel auf die Laufstrecke in der großen Spitzengruppe mitpedalieren, dann aber sollte sich schnell die Spreu vom Weizen trennen: Allein auf den abschließenden 10 Kilometern bekamen Unger und Petzold annähernd zwei Minuten Rückstand aufgebrummt von den Besten, selbst im Triathlon sind das Welten.

Allzu negativ wollte DTU-Cheftrainer Ebli den Auftritt seiner „jungen Buschen“ dennoch nicht bewertet wissen, stattdessen lobte er Unger und Petzold als Männer der Zukunft, die „in zwei, drei Jahren den Sprung in die Weltspitze“ schaffen könnten. Edmonton sei da durchaus schon als erster Schritt zu sehen.

Einen ähnlich langsamen Aufstieg strebt auch Joelle Franzmann an, bei der 23-jährigen Triathletin geht es allerdings darum, alte Stärke wieder zu erlangen und somit zurückzukehren zumindest in die erweiterte Weltspitze, zu der man sie bereits vor Olympia getrost zählen durfte. Dann aber hemmte mancherlei Verletzung die Fortentwicklung, zu den Titelkämpfen in Edmonton war Franzmann mit einem Minimum an Lauftraining gereist, die Ärzte haben ihr das so empfohlen, um die offensichtlich fragilen Sehnen und Knochen langsam wieder an höhere Belastungen zu gewöhnen. „Länger als 55 Minuten am Stück bin ich vor der WM gar nie gelaufen“, verriet Franzmann nun, da durfte es kaum verwundern, dass sie, obwohl als Fünftplatzierte vom Rad gestiegen, am Ende noch auf Rang 13 durchgereicht wurde – und somit drei Plätze hinter Mannschaftskameradin Christiane Pilz aus Rostock, der das einzige Top-Ten-Ergebnis für die DTV in der Eliteklasse vergönnt war.

Zu Weltmeisterin Siri Lindley aus den USA fehlten freilich auch ihr satte zweieinhalb Minuten, ähnlich wie Robertson bei den Männern war auch die Amerikanerin kurz nach dem Wechsel auf die Laufstrecke der voll versammelten Konkurrenz auf und davon geeilt – und auch von der Australierin Michellie Jones schließlich nicht mehr zu halten. Die Australierin gewann Silber und wiederholte somit ihr Ergebnis von Olympia in Sydney. Dort hatte die Weltmeisterin Lindley gefehlt, weil nicht qualifiziert. „Das war die größte Enttäuschung in meinem Leben“, verriet sie nun. In Edmonton hat auch sie Revanche genommen.