„Mutter Mega“ fürs Volk

Megawati ist keine gute Rednerin. Politische Ziele kann sie nur vage formulieren. Doch das Militär steht hinter ihr. Denn eine Unabhängigkeit der unruhigen Provinzen lehnt sie ab. Flüchtlinge verehren die selbst ernannte „Mutter Mega“

JAKARTA taz ■ Ihre Gegner bezeichnen Megawati gern als dumme Hausfrau ohne politische Visionen, die nur vom Ruhm ihres Vaters zehrt und am liebsten mit ihrem neuen blauen VW Beetle durch Jakarta braust, einkaufen geht und kocht, anstatt sich ernsthaft um die Probleme des Landes zu kümmern. Ihre Anhänger hingegen schwärmen von der klugen Taktikerin, die sich wie eine Königin von den korrupten und intriganten Niederungen der indonesischen Politik fern hält und die javanischen Tugenden der Verschwiegenheit und indirekten Macht beherrscht.

Eines ist sicher: Megawati hält – genau wie ihr Vater Sukarno, der Staatsgründer Indonesiens – eisern an der Einheit der Nation fest. Mehr Eigenständigkeit oder gar Unabhängigkeit für die unruhigen Provinzen Aceh und Irian Jaya lehnt sie ab. Anders als ihr Amtsvorgänger Wahid, der den Griff Jakartas auf die Provinzen lockern und ihnen mehr Selbstverwaltung und größere finanzielle Autonomie zugestehen wollte, mag sie nicht einmal über ein föderales System nachdenken. Das gefällt vielen Militärs, die gern düster den Zerfall des Inselreiches prognostizieren. Wirtschaftspolitisch haben ihre Berater sie überzeugt, dass Indonesien die bittere Pille schlucken und die Reformforderungen des Internationalen Währungsfonds erfüllen muss, um das Vertrauen ausländischer Investoren wiederzugewinnen. Einer ihrer Vertrauten, der ehemalige Banker Laksamana Sukardi, hat sich bemüht, im korrupten Finanzsystem aufzuräumen, bevor ihn Wahid als Minister feuerte.

Symbol der Opposition

Ins Rampenlicht trat die Frau mit der schlichten Frisur und dem mütterlichen Auftreten vor fünf Jahren. Die Vorsitzende der damals weitgehend einflusslosen Demokratischen Partei Indonesiens (PDI) hatte es gewagt, sich für mehr Demokratie in ihrer eigenen Partei einzusetzen. Als der alte Diktator Suharto sie 1996 durch eine krasse Manipulation auf einem Sonderparteitag absetzen ließ, beging er damit den größten Fehler seiner 32-jährigen Herrschaft: Über Nacht verwandelte sich Megawati in die Symbolfigur der zersplitterten und unterdrückten Opposition. Megawati reiste in abgelegene Dörfer, in denen sich die Regierung niemals sehen ließ. Sie erkundigte sich nach den Sorgen der kleinen Leute, die unter Korruption und diktatorischer Willkür litten.

Es störte ihr Publikum nicht, dass sie – anders als ihr Vater – keine glänzende Rednerin war. Ganz im Gegenteil: Die rundliche Politikerin, die sich selbst „Mutter Mega“ nennt, gewann schnell an Popularität. Dass sie nie durch brillante intellektuelle Leistungen aufgefallen ist und nur vage politische Zukunftsvorstellungen formulieren kann, irritiert ihre Anhänger nicht, da sie sich auf integre Berater stützt, die sich für Reformen einsetzten. Ihre Ausbildung beschränkt sich auf ein paar Semester Landwirtschaft und einige Psychologie-Kurse. Vor ihrer Heirat mit dem heute millionenschweren Geschäftsmann Taufiq Kiemas hatte sie bereits zwei Ehen hinter sich – in einem Fall war sie kurzzeitig mit einem ägyptischen Diplomaten durchgebrannt. Sie blieb jahrelang bei ihren drei Kindern zu Hause, bevor sie gemeinsam mit mehreren Geschwistern in den Achtzigerjahren in die Politik ging.

Als Megawatis Partei 1999 bei den ersten freien Parlamentswahlen Indonesiens seit über vierzig Jahren mit 35 Prozent der Stimmen klar vor allen anderen Parteien siegte, wähnte sich die Politikerin schon auf dem Weg in den Präsidentenpalast. Doch sie wurde enttäuscht: Nicht Megawati, sondern ihr langjähriger politischer Vertrauter und Freund, der Muslimpolitiker Wahid, erhielt im Oktober 1999 in der „Beratenden Volksversammlung“ die Stimmenmehrheit. Weinend hörte Megawati das Ergebnis. Nach gewaltsamen Straßenprotesten ihrer Anhänger ließ sie sich aber überreden, den machtlosen Posten als Vizepräsidentin anzunehmen.

Loyale Stellvertreterin

Nach Ansicht ihrer Kritiker war diese Niederlage die verdiente Quittung für die Unfähigkeit Megawatis, ihre Chancen zu nutzen: Denn anders als der gewiefte Taktiker Wahid hatte die Politikerin sich geweigert, fundamentalistische Muslimparteien und Vertreter des alten Suharto-Regimes an der Macht zu beteiligen. In den entscheidenden Stunden lag Megawati im Bett, während Wahids Leute, die im Parlament über nur zehn Prozent der Sitze verfügten, in verräucherten Hinterzimmern über Posten und Gelder schacherten. Zunächst diente Megawati dem Präsidenten als loyale Stellvertreterin: Weil er fast blind ist, trug sie seine Reden vor.

Sie weigerte sich, Wahid öffentlich zu kritisieren. Sie schwieg, wenn er sie als „dumm“ beleidigte oder erklärte, sie sei bei einer wichtigen Kabinettsentscheidung „im Badezimmer verschwunden“. Stattdessen suchte sie die Nähe zu ihren Anhängern. Sie besuchte Flüchtlingslager in Westtimor, auf Borneo und auf den Molukken, wo sich ethnische Gruppen, Christen und Muslime bitter bekämpft hatten, und weinte mit den Opfern. Selbst in Ostjava, der Hochburg der Wahid-Anhänger, wird sie verehrt.

Politische Visionen oder Lösungen für die vielen Probleme des Landes hat sie bislang nicht angeboten. Ihre Partei ist gespalten. Führende Mitglieder wie der Fraktionschef im Parlament stehen unter Korruptionsverdacht. Dennoch: Je mehr Feinde sich Präsident Wahid in seiner kurzen Regierungszeit unter den entmachteten Militärs und enttäuschten fundamentalistischen Muslimen machte, desto höher stieg ihr Stern.

Nationalistische Generäle und Teile der Armee unterstützen sie, ebenso wie die zweitstärkste Fraktion im Parlament, die ehemalige Suharto-Partei Golkar. Monatelang hatte sie gezögert, dem geschwächten Wahid den letzten Stoß zu versetzen. Aus gutem Grund: Sie kennt das Intrigenspiel der indonesischen Eliten nur zu gut. Sie weiß auch, dass viele Militärs, konservative Muslime und alte Suharto-Anhänger sie nur als nützliche Idiotin betrachten, die ihnen den Weg an die Macht bereiten soll. Um zu verhindern, dass sie das Schicksal ihres Vaters erleidet, bestand sie auf einem verfassungsmäßigen Machtwechsel.

JUTTA LIETSCH