Gummi geben und abzischen

In vierundzwanzig Stunden durch vier Länder – Tagebuch einer Europatour (II)

Freitag, 9.31 Uhr

Nach dem Besuch der westlichsten Stadt Deutschlands steht eine Stippvisite in der hässlichsten Stadt der Niederlande auf dem Programm, in der die Europatouristen einige Jahre ihrer Kindheit beziehungsweise Jugend verbrachten. „Schlimm, schlimm, schlimm“, seufzt Roth während der Erkundungstour durch Brunssum. Schnell wird deutlich, warum an jeder Bushaltestelle ein Werbeplakat der Firma Smirnoff prangt. Auf dem Weg zur Schule, die Roth Anfang der Achtziger zwei Jahre lang besuchte (Jöricke ging noch in die Kleuterschool), muss dieser sich erst an die Radwege mitten auf der Straße gewöhnen. Glücklicherweise hat der bromfietser ein exzellentes Reaktionsvermögen. Die hübsche Bildungseinrichtung der Nato inspizieren die Kosmopoliten nur kurz, weil ein Sicherheitsmann ihre nicht vorhandenen Ausweise sehen will.

13.12 Uhr

Weiter zum Schwimmbad „de bronspot“, wo Jürgen „Albatros“ Roth einst seine baantjes gezwommen heft und den niederländischen Jugendrekord im 100- und 200-Meter-Delfinschwimmen aufstellte. Leider hat die Halle geschlossen. Ein erstes Fazit: Entweder man verweigert dem „Ausländer“ den Zutritt, oder es ist sowieso Feierabend oder Pause oder was auch immer. Mensch, wir sind doch alle Europäer!

Im Gegensatz zum grauen Himmel klart die Stimmung wieder auf, als Jöricke einen Getränkemarkt entdeckt. „Du bist ein Genie!“, jubelt Roth und hievt, nachdem er den Wagen an die erstbeste Wand gesetzt hat, einen großen leeren Karton aus dem Kofferraum. Während der Biertheologe über zahlreiche unbekannte Marken herfällt, soll sich die Auswahl des Altbiertrinkers Jöricke (Sechserpack Grolsch Oud Bruin) später als Spitzeninvestition erweisen. Das „Donker Bier“ (2,5%) ist mit Zucker verpanscht. Mmmhh, lecker, lecker.

15.07 Uhr

Vor der belgischen Grenze wird endlich ein wenig Bier an einer Autobahntankstelle besorgt. Im Wageninneren ertönt das liebliche Spiel herumtollenden Leerguts. „Auf nach Spa-Francorchamps!“, kommandiert Jürgen „Ecclestone“ Roth.

Trotz Rennbetriebs sind nur wenige Besucher auf dem Gelände. Die zwei „Beneluxbummler“ (Polyglott) nehmen auf der VIP-Tribüne Platz. In der Euphorie beschließt Roth, von den Einnahmen seines nächsten Buchs die Formel 1 zu kaufen. Nachdem er sich mühsam zur Weiterfahrt hat überreden lassen, muss Kompagnon Jöricke feststellen, dass die Impressionen von der Strecke auf Roths Steuerkünste abfärben. Würden sie angehalten, könnten sie den Gendarmen sehr anschaulich erklären und beweisen, dass man die Bierflaschen dazu benötige, den Anlasser manuell zu betätigen.

18.23 Uhr

Roth kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Die „Zapfstationen“ in Luxemburg führen ein größeres Warenangebot als eine Walmart-Filiale. Zur nicht geringen Erheiterung der Tankstellenangestellten starten die „Weltenbummler“ (Reinhold Messner) das Fahrzeug wieder einmal mit einer Bierflasche.

Circa 19.00 Uhr

Jöricke wird in Trier rausgeworfen und verabschiedet den Kollegen mit einem kühlen Budweiser. Nach eineinhalb Stunden Bummelfahrt über die Hunsrückhöhenstraße und via Mainz erreicht Roth die Europastadt Frankfurt/Main. Selten hat er sich europäischer gefühlt, und das ist auch sehr gut so, trillert er und „killt“ zur Feier des Tages eine Dose Leeuw.

CHRISTIAN JÖRICKE /

JÜRGEN ROTH