Ohne Scheu vorm Klassenfeind

Carnaval cubana mit internationalem Anspruch: Issac Delgado  ■ Von Knut Henkel

In Havanna schallt „La vida es un Carnaval“ aus jedem dritten Fenster. Der alte Hit von Celia Cruz feiert Auferstehung im neuen maßgeschneiderten Timbagewand. Verantwortlich für die von offizieller Seite nicht allzu gern gesehene Hommage an die Salsa-Diva aus Miami ist Issac Delgado. Sensibel ist der 39-jährige Sänger und Komponist mit dem Evergreen umgegangen und hat ganz nebenbei eine Brücke über die Straße von Florida, die Kuba und die USA trennt, geschlagen. Berührungsängste mit dem Klassenfeind sind dem selbstbewussten Salsero ohnehin fremd.

Seit einigen Jahren ist er beim New Yorker RMM-Label, einer feinen Adresse in der internationalen Salsa-Szene, unter Vertrag. Vier Alben hat er für dessen Chef Ralph Mercado bisher eingespielt, die allesamt von der Kritik hochgelobt wurden. Denn Delgado steht nicht für biedere Salsa cubana, sondern jongliert mit unterschiedlichen Stilrichtungen. Ein Schuss Funk gehört genauso dazu wie Son, Jazz und Bolero. Diese Experimentierfreude hat Delgado nicht nur den Respekt der kubanischen Kollegen und eine ganze Reihe Auszeichnungen eingebracht, sondern auch Einladungen zum wichtigsten Salsa-Festival der Welt im Madison Square Garden.

Seitdem gehört der gebürtige Habanero zu den Großen der internationalen Salsa-Szene. Auftritte mit Celia Cruz, La India und anderen Schwergewichten der Latin-Szene, wie José Alberto „El Canario“, sind für den ehemaligen Sänger von NG La Banda unvergessliche Erlebnisse, aber beileibe nicht selten. Im zarten Alter von zehn Jahren begann Delgado mit seiner Ausbildung am Konservatorium Amadeo Roldan. Die Violine war damals sein ständiger Begleiter, und mit achtzehn Jahren und abgeschlossener Ausbildung entdeckte ihn ein anderes Wunderkind der kubanischen Musikszene – Gonzalo Rubalcaba. Der Jazzpianist integrierte ihn in seine damalige Band Proyecto und nahm den jungen Geiger mit ins Ausland. Für Delgado ein prägendes Erlebnis, bei dem er quasi nebenbei sein Talent als Sänger entdecken sollte.

Zwei Jahre blieb er bei Proyecto, bevor er sich entschloss, bei Son-Altmeister Pacho Alonso in die Lehre zu gehen. Der bastelte damals an einen neuen Sound, verwob traditionelle kubanische Musik und internationale Elemente. Bei Alonso, einem der bekanntes-ten Sänger Kubas, konnte sich Delgado viel abschauen, und bereits nach einem Jahr folgte das Angebot von José Luis Cortés, dem Bandleader von NG La Banda. Ein Angebot, das Delgado nicht ausschlagen konnte, denn NG La Banda war damals die angesagteste Salsa-Band der Insel und nicht nur wegen der kritischen Texte vor allem bei der Jugend beliebt.

Doch auch hier hielt es den eigenwilligen Musiker nicht allzu lange. Drei Alben nahm er mit Cortés auf, bevor er sich 1991 daran machte, auf eigenen Füßen zu stehen. Gonzalo Rubalcaba, der bis heute Issac Delgado mit Rat und Tat zur Seite steht, half bei der Auswahl der Musiker und ist auch auf der aktuellen Platte Delgados, Malecón, zu hören. Einige der Stücke hat Rubalcaba arrangiert, und nicht nur beim sehr funky daherkommenden „Nadie me quiere bailar“ greift er in die Tasten, so dass Jazz-Remeniszenzen Ehrensache sind. Bei den Aufnahmen in Havanna versuchte sich Baseballfan Delgado erstmals auch als Produzent und konnte sich dabei auf die Unterstützung der Crème der kubanischen Musik verlassen: Juan Formell von Los Van Van schrieb mit ihm zusammen „El Solar de la California“, eine Hommage an Havanna, und Pablo Milanés, Kubas vielleicht bekanntester Liedermacher, kam neben vielen anderen ins Studio.

So unterschiedlich wie die Musiker, mit denen Delgado zusammenarbeitet, so vielschichtig ist seine Musik: Balladen wie das hinreißende „Amor sin ética“, ein Stück über eine „synthetische Kubanerin“, der materielle Sicherheit wichtiger als das Liebesglück ist, gehören genauso dazu wie flotte Salsanummern. Und schon allein für die kubanische Sommerhymne „La Vida es un Carnaval“ lohnt sich der Besuch in der Fabrik.

Freitag, 21 Uhr, Fabrik