Hätt' ich dich heut' erwartet ...

Vertraulich: Senat erlaubt und lobt unangemeldete Hausbesuche bei SozialhilfeempfängerInnen. Ältere freuen sich darüber  ■ Von Sandra Wilsdorf

Besuch ist schön, Überraschungsbesuch noch schöner, findet der Senat und will unangemeldete Hausbesuche bei SozialhilfeempfängerInnen jetzt flächende-ckend erlauben. Die dienen nicht der Gemütlichkeit, sondern sollen kontrollieren, ob beantragte einmalige Hilfen, beispielsweise für Waschmaschinen, Umzüge oder Neugeborene, berechtigt sind.

In einer vertraulichen Stellungnahme erklärt der Senat: „In allen Sozialämtern erfolgte die Bedarfsfeststellung vor Ort grundsätzlich ohne Anmeldung“ und resümiert: „Die Hamburger Praxis entspricht den gesetzlichen Vorgaben und wahrt die Grundrechte der Antragsteller und Antragstellerinnen.“

Genau darüber streiten PolitikerInnen seit langem, denn es gilt die „Unverletzlichkeit der Wohnung“. Die Regenbogen-Gruppe ist gegen die Hausbesuche, und auch die GAL-Fraktion im Bezirk Mitte forderte vor eineinhalb Jahren, die „Sozial-Spione zurückzuziehen“. Die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und GAL hingegen akzeptieren Hausbesuche, wenn Anlass zu „nachvollziehbaren Zweifeln an den gemachten Angaben“ besteht und die Kontrolleure geschult sind. Sie wünschten sich außerdem einen Bericht über Mehrausgaben oder Einsparungen durch das Vorgehen.

Der Senat meldet jetzt mehr als 700.000 Mark „Minderausgaben“. Allein in Mitte hätten die Kontrollen dazu geführt, dass beantragte Hilfen in Höhe von 418.000 Mark nicht genehmigt wurden. In den meisten Fällen wurde weniger genehmigt als beantragt, selten wurden erwünschte Hilfen ganz verweigert.

Als Zeichen der Zustimmung wertet der Senat offenbar, „dass es nicht zu einem auffälligen Beschwerdeverhalten gekommen ist“. Und das Tollste: „Vielmehr wurden die Besuche insbesondere von älteren Antragstellerinnen und Antragstellern sogar sehr positiv aufgenommen.“ Das könnte jedoch auch daran liegen, dass, wer von seinem Recht Gebrauch macht und die Überraschungsbesucher nicht hereinlässt, wenig Aussicht auf Hilfe hat: denn „kann der Sachverhalt folglich nicht geklärt werden, geht die Unaufklärbarkeit zu Lasten des Hilfesuchenden. Der Träger der Sozialhilfe darf in diesen Fällen die begehrte Leistung versagen.“

Mit der „Unverletzlichkeit der Wohnung“ hat der Senat kein Prob-lem, denn daraus „ergibt sich nicht, dass eine vorherige Anmeldung notwendig ist“. Er hält die „Bedarfsermittlung vor Ort auch künftig für ein sinnvolles und (...) anerkanntes Instrument“.

Für die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl ist das Ganze hingegen eine „Aufforderung zur Rechtsbeugung“. Hausbesuche – unangemeldet oder nicht – seien „demütigend und stigmatisierend“, weil sie SozialhilfeempfängerInnen a priori unter Betrugsverdacht stellten. Die hätten das Recht auf Termine, „wenn die Ämter eine verschlossene Tür bei einem unangemeldeten Besuch als Indiz für Betrug werten, so ist das illegal“. Der Senat versäume es, hier klare Regelungen zu treffen, nach dem Motto: „Soll doch klagen, wem's nicht passt.“