: Zukunft auf Grammatikfehler
Orte für ein blau(-weiß)es Wunder (IV): Die „Arena Auf Schalke“. Hier freut man sich auf die ganz großen Momente
Die taz empfiehlt ihren LeserInnen nicht wirklich den Besuch eines blöden Fußballstadions, oder?
Das ist kein Stadion. Fußball wird nicht mehr in Stadien gespielt, sondern in Arenen.
Wo soll denn da der Unterschied liegen?
In Stadien steht der Fan hundertfünfzig Meter von der Eckfahne entfernt im Regen und traut sich nicht, seinen Schirm aufzuspannen, um den anderen Zuschauern nicht den Rest ihrer kläglichen Sicht zu nehmen. Zur Pause winden sich lange Schlangen knietief im Schlamm vor Bretterbuden, aus denen Bratwürste gereicht werden. Vor lauter Frust demoliert man auf der Rückfahrt vom Stadion die S-Bahn.
Und Arenen?
Dort gibt es keine frustierten Randalierer mehr, sondern nur noch zufriedene Konsumenten. In Gelsenkirchen steht oder sitzt der Zuschauer in Zukunft ganz nah am Spielfeldrand, und zwar überdacht. Wenn es regnet, schließt sich sogar über dem Spielfeld ein Dach. Und beim Pinkelngehen verfolgt man das Spiel auf kleinen Monitoren.
Würstchen und Bier gibt es wohl nicht mehr?
Doch. Wir sind schließlich auf Schalke. Und da baut man „keinen Champagnertempel“ (Manager Assauer). Dank verbesserter Kapazitäten kann Schalke jetzt 20.000 statt 6.000 Bratwürste pro Spiel verkaufen. Warum soll man da auf Lachsschnittchen umsatteln? Der Alkoholmissbrauch wird ab jetzt allerdings massiv bekämpft. In der Arena werden nur noch 1,6 Promille erlaubt sein. Beim Eintritt.
Arena – klingt nach panem et circenses.
Beinahe. Im Ruhrpott heißt Brot und Spiele eher Bratwurst und Pur. Die sympathisch-authentische Combo aus Schwaben spielt am 13. August auf der Eröffnungsfeier und im Herbst zwei Konzerte in der Arena. Zu Eröffnung kommen auch noch DJ Ötzi, die No Angels und Lionel Ritchie.
Wann werden die Löwen losgelassen?
Löwen gibt es nicht. Dafür aber lebende Pferde bei der größten Opernaufführung auf dem europäischen Kontinent am 1. September in der Arena: Verdis Aida auf Schalke.
Und wann wird Fußball gespielt?
Im alten Fußballstadion ging es um Sport. In der Arena um Show. Und Fußball ist höchstens ein Teil des Zirkus. Jeder Besucher bekommt übrigens eine Art aufladbare Kreditkarte, die nur in der Arena gilt: die „Knappenkarte“.
Warum heißt das Ding neuerdings eigentlich „Arena Auf Schalke“?
Mit dem Namen „Auf Schalke“ knüpft der Verein an eine große Tradition des Ruhrgebiets an: dem konsequent unorthodoxen Umgang mit der deutschen Grammatik. In Gelsenkirchen ist man „den Kinders alles Gute am wünschen“, wenn man „bei der Ommma“ geht. Man fährt „auf Schicht“ und am Wochenende eben „auf Schalke“ – mit „Vatter sein Wagen“.
Das sind doch Klischees!
Ja, natürlich. Wir reden doch über Schalke.
Früher hatten Fußballstadien doch ganz andere Namen. Schalke spielte im . . . im . . .
. . . im Parkstadion. Aber das war die Zeit, als Deutschland noch Bundesrepublik hieß und die Sparkasse der wichtigeste Sponsor war. Mit so viel Nüchternheit sind sie in Schalke nie wirklich klargekommen. Die großen Erfolge feierte man in
der „Glückauf-Kampfbahn“
Was soll ich als Frau in Kampfbahnen und Arenen?
Heiraten zum Beispiel: Zwischen Umkleidekabinen und Interviewzonen gibt es in der „Arena Auf Schalke“ auch eine Kapelle. Blau-Weiße Wunder werden auf Schalke traditionell nicht dem Zufall überlassen: Johannes Paul II. hat einen Mitgliedsausweis.
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