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: HELMUT HÖGE über Wasserflaschen

Contact Aliens

Das liest man jetzt auf allen U-Bahn-Reklameflächen: „Contact Aliens“. Ein paar dümmlich dreinblickende Jugendliche erwarten jeden Moment den Kontakt mit Fremden. Obwohl sie nicht fröhlich sind, soll das Ganze doch ein äußerst fremdenfreundliches Anliegen vermitteln.

Dabei ist es genau umgekehrt – hier und jetzt in Berlin jedenfalls: Dümmlich ausschauende junge Touristen kontaktieren – uns!!! „Where was the wall, s’il vous plait?!“ ist dabei zum Beispiel einer ihrer Lieblingskontaktversuchssätze in Mitte. Und dann tun sie immer so, als wollten sie unbedingt wissen, wo sie sich gerade befinden – „im Osten oder im Westen?“. Ein andere blöde Frage – auf dem Boulevard Unter den Linden – lautet: „Who was Linden?“

Dass es sich um Touristen handelt, erkennt man schon von weitem daran, dass die Frager alle Plastikflaschen mit Wasser in der Hand halten und daraus alle paar Augenblicke einen Schluck nehmen. Dann schrauben sie die pisswarme Flasche wieder zu, schlucken bedächtig und fixieren wie nebenbei die Umgebung. So wie unsereins sich ständig Zigaretten dreht und dann und wann daran nuckelt . . .

Der Gießener Ethnopsychiater und Tourismusforscher Dr. Salm-Schwader vermutet, dass die Wasserflaschen – mit denen hauptsächlich junge angloamerikanische sowie chinojapanische Mittelschichttouristinnen, aber mehr und mehr auch die durch und durch amerikanisierten westeuropäischen Kurzurlauberinnen bewaffnet sind, einen Abwehrzauber gegen männliche Belästigung darstellen: „Tut mir nichts, ich bin eine harmlose, dazu noch fast minderjährige Ausländerin und trinke nur Wasser!“ Und das Merkwürdige sei, so Salm-Schwader, dass dieser Zauber auch funktioniere. Nachweislich seien mit Wasserflaschen ausgerüstete Touristinnen bis zu 60 Prozent weniger gefährdet als Mädchen ohne. Wobei die Dunkelziffer jedoch enorm hoch sei, denn immer mehr deutsche Mädels täten so, als seien sie Fremde – und griffen ebenfalls zu solchen unsportlichen Wasserflaschen, wenn sie aus dem Haus gingen. Gleiches gelte auch für viele junge Russinnen, die sich jedoch vorher Wodka in die Plastikflaschen füllten.

Wenn das stimmt, dann haben wir es hierbei mit einer ähnlichen Mittel-Zweck-Umdrehung zu tun wie weiland bei der Zahnspange. Diese sollte ursprünglich durch das Verklammern der Gebisse von Pubertierenden diese von allzu frühen Sexualkontakten abhalten, indem sie ihre Träger verhässlichte. Irgendwann gelang es jedoch den Teenagern, dies elterliche Gewaltmittel in ein geiles, respektive cooles Statussymbol umzudrehen – und fortan waren Zahnspangenträgerinnen sexuell besonders gefährdet – bis zu 48 Prozent mehr als Mädchen ohne, die nun geradezu ein Mauerblümchendasein führen.

Die „Wasserflasche für unterwegs“ wurde 1991 vom kalifornischen Homöopathen Daniel Raumer erfunden, indem er sich auf die Propagierung eines einzigen „Mainhealth“-Gedankens konzentrierte – als Allheilmittel. Auf das Wasser: „Der Körper braucht ständig Wasser“, so behauptete und verbreitete er es – bald auf allen Plakaten an den Highways bis rauf nach New York. „Milliarden Menschen sagen danke, Dr. Raumer!“

So ähnlich formulierte später dann auch ein Dr. Rath seine etwas kleinere Vitamin-C-Werbekampagne in der BRD, nachdem dieses Zeug sich in Amerika bereits als nahezu nebenwirkungslose „Droge Nummer 1“ durchgesetzt hatte. Reifere Amerikanerinnen gehen inzwischen schon mit bis zu 26 Vitaminpräparaten overseas. Aber seitdem sind reines Wasser und Vitamin C die Wunderwaffen schlechthin für alle jungen Touristinnen im feindlichen Ausland – angefangen mit den kalifornischen Teenagern auf großer Europatournee: „12 Länder in drei Wochen, inklusive Krakau“.