US-Regierung unterdrückt Akten

Ein Band mit offiziellen Dokumenten belegt die amerikanische Beteiligung an der Zerschlagung der indonesischen Kommunistischen Partei Mitte der 60er-Jahre. Nun wird die Auslieferung gestoppt – angeblich wegen der aktuellen Lage

Wurden in Indonesien 100.000 oder eine Million Menschen getötet?

aus Jakarta SVEN HANSEN

Das US-Regierung ruft ein vom Außenministerium veröffentlichtes Buch über dessen Politik gegenüber Indonesien zurück. Mit der Auslieferung an hunderte Büchereien hatte die Regierungsdruckerei GPO fälschlicherweise schon begonnen. Wie US-Medien am Samstag berichteten, warf das Ministerium GPO vor, das Buch ohne Genehmigung ausgeliefert zu haben.

Ein GPO-Sprecher sagte, die im April erteilte Genehmigung sei zu spät zurückgezogen worden. Das unabhänige „Nationale Sicherheitsarchiv“ der George-Washington-Universität, das für die Veröffentlichung von Regierungsdokumenten kämpft, erwarb am Donnerstag eines der 850-seitigen Bücher über die US-Politik in Indonesien, Malaysia und den Philippinen von 1964 bis 1968 und publizierte es im Internet (www.nsarchive.org). Das Buch enthält Regierungsdokumente, die bis 1998 und 1999 als geheim eingestuft waren. Sie belegen die Beteiligung der USA an der Zerschlagung der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) Mitte der 60er-Jahre. So enthält das Buch den Vorschlag des US-Botschafters Marshall Green in Jakarta vom Dezember 1965 an die Regierung in Washington, dem Führer des vom Militär koordinierten Todesschwadrons „Kap-Gestapu“ 50 Millionen Rupien zu zahlen. „Die Möglichkeiten der Entdeckung oder späteren Enthüllung unserer Unterstützung in diesem Fall sind so gering wie eine Untergrundoperation nur sein kann“, schrieb Green. Da die Antwort bis heute unter Verschluss gehalten wird, ist eine Zahlung zu vermuten.

Am 10. August 1966 schrieb Green, eine von der Botschaft erstellte Liste der KP-Führer „wird offenbar von den indonesischen Sicherheitsbehörden benutzt, denen sogar die einfachsten offen verfügbaren Informationen über die PKI-Führung zu fehlen scheinen“. Die meisten Kommunisten auf der Liste wurden ermordet. Im April 1966 berichtete die Botschaft, man wisse selbst nicht, ob die Zahl der getöteten Kommunisten näher an 100.000 oder an einer Million liege, doch sei es wohl klüger, die niedrigere Zahl zu verwenden, „besonders bei Fragen der Presse“.

Die PKI, die den nationalistischen Präsidenten Sukarno stützte, war die drittgrößte kommunistische Partei der Welt und stand damals kurz vor der legalen Machtübernahme. Ein dubioser Putschversuch im Oktober 1965, bei dem mehrere Generäle getötet wurden, schob General Suharto den Kommunisten in die Schuhe und nutzte dies, um die PKI und mutmaßliche Sympathisanten auszuschalten. Den Pogromen des Militärs und antikommunistischer und religiöser Gruppen fielen in den folgenden Monaten bis zu einer Million Menschen vor allem chinesischer Abstammung zum Opfer. Sukarno wurde von Suharto entmachtet, der selbst bis 1998 diktatorisch regierte. Die Massaker von 1965/66 sind bis heute nicht aufgearbeitet.

Das US-Außenministerium und der Geheimdienst CIA beschlossen laut Washington Post im Mai, das Buch wegen der aktuellen Entwicklungen Indonesiens nicht zu veröffentlichen. Sukarnos Tochter Megawati Sukarnoputri wurde vergangenen Montag neue Präsidentin. Ihre Popularität basiert mit auf der ihres Vaters, ihre Plakate zeigen ihn als ihren Schatten. Der autoritäre Staatsgründer, der als ein Führer der Blockfreien-Bewegung in Washington verhasst war, wird heute in Indonesien verklärt. Megawati hat auf das Buch nicht reagiert. Es ist auch kaum zu erwarten, dass sie die damaligen Ereignisse aufarbeiten lässt. Das würde sie in Konflikt mit dem Militär bringen, mit dessen Hilfe sie gerade an die Macht kam.

Kusnanto Anggoro vom privaten „Zentrum für strategische und internationale Studien“ in Jakarta wertet die Unterdrückung des Buchs durch die US-Regierung als Versuch, die Beziehungen zur neuen Präsidentin nicht zu belasten. „Es geht um Stabilität in den Beziehungen“, sagte er. Doch seien die Auswirkungen ohnehin gering, da die Dokumente seit Ende der 90er-Jahre bekannt seien.