Berlin vertraut Aufklärer Berlusconi

Staatsanwaltschaft Genua soll unrechtmäßige Inhaftierungen und unangemessene Polizeigewalt beim G-8-Gipfel bestätigt haben. Das Auswärtige Amt glaubt, „dass diese Dinge in Italien aufgeklärt werden“ und lehnt internationale Untersuchung ab

von STEPHANIE VON OPPEN

Mindestens 76 Globalisierungskritiker sind bei den Polizeieinsätzen am Rande des G-8-Gipfels in Genua zu Unrecht inhaftiert worden. Das haben Berichten italienischer Zeitungen zufolge erste Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Genua ergeben. Von den 288 Personen, die in Haft genommen worden waren, wird nur gegen 149 überhaupt weiter ermittelt. Die Staatsanwaltschaft habe außerdem bestätigt, dass der Polizei zu Recht vorgeworfen werde, unangemessen brutal gegen Demonstranten vorgegangen zu sein. Die italienische Bevölkerung wurde aufgefordert zur Aufklärung beizutragen, indem sie Video- und Bildmaterial zur Verfügung stellt.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte gestern gegenüber der taz, dass sich derzeit noch 21 deutsche Globalisierungskritiker in italienischen Gefängnissen befinden. Bei mindestens 18 von ihnen sei eine unbefristete Untersuchungshaft angeordnet worden. Alle Inhaftierten seien „konsularisch betreut“ und mit Verteidigern versorgt. Von den insgesamt 93 Personen, die vor gut einer Woche bei dem nächtlichen Polizeiübergriff in einer Schule festgenommen wurden, sind nach italienischen Medienberichten bis auf einen alle wieder auf freiem Fuß. Wegen der teilweise langjährigen Einreiseverbote, die italienische Behörden gegen Globalisierungskritiker erteilt haben sollen, hat das Auswärtige Amt von der italienischen Regierung „Auskunft verlangt“. Wenn es derartige Dokumente tatsächlich gebe, müsse erst einmal geklärt werden, ob diese auch gültig seien.

Forderungen nach einer internationalen Untersuchung der Vorgänge in Genua wies der Sprecher des Außenministeriums zurück: „Wir gehen davon aus, dass diese Dinge in Italien aufgeklärt werden.“ Einen internationalen Untersuchungsausschuss hatten unter anderem amnesty international und der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Christian Ströbele, gefordert. Dem schloss sich gestern auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac an.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi versicherte am Freitag in Rom, dass seine Regierung niemanden decken werde. Einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss lehnte er aber bisher ab. Italienische Zeitungen berichteten am Wochenende, dass Vertreter der oppositionellen Linken angedroht hätten, politisch gegen die Regierung zu mobilisieren, wenn sie sich weiter gegen einen solchen Ausschuss sperre. Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Liberalen, sprach von einem „Lackmustest für die Rechtstaatlichkeit der italienischen Regierung“.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth verlangte am Wochenende eine Sondersitzung der Innen- und Justizminister der EU. In Berlin demonstrierten am Samstag etwa 1.000 Menschen gegen das Vorgehen der italienischen Polizei.