Jeder Kuss ein Applaus

Sechs Lesben und 24 Schwule heirateten gestern in Hamburg zur Feier des neuen Lebenpartnerschaftsgesetzes  ■ Von David Böcking und Gesine Kulcke

Neben dem Rathaus Altona parkt ein festlicher Autocorso. Vom Käfer bis zum BMW ist alles dabei – nur die Regenbogenfahne auf der Motorhaube oder an der Tür haben sie gemeinsam. Daneben stehen Bernd Drewke und Altan Tarhan. Sie fühlen sich „gut“ und „aufgeregt“. Vor vier Wochen wurden sie von der GAL gefragt, ob sie sich trauen würden. Jetzt stehen sie hier Schlange, ebenso wie die Journalisten.

Auch im Rathaushof raufen diese sich um O-Töne. Der Mann vom Bezirksamt zeigt mahnend auf das Absperrband. So etwas wie Hochzeitsmusik tönt gegen die Kameraträger an. Die Klänge ergreifen die Spalier stehenden Trauzeugen, dazwischen auch drei Grüne: Bundessprecherin Claudia Roth, Schwulenpolitiker Volker Beck und Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Krista Sager. Eine Standesbeamtin erscheint im lilafarbenen Sakko und freut sich über die Liebe, die 15 Paare vor den Traualtar führe. Anna T. Weiß singt ganz in Rot „Over the Rainbow“. Noch stehen die Journalisten mit ihren klingelnden Handys brav hinter dem Absperrband.

Drei Standesbeamtinnen fertigen je drei Paare gleichzeitig ab. Jeder Kuss ein Applaus. Zu hören ist aus der Ferne nichts. Als sich Trauzeugin Sager erhebt, geht alles in kreischenden Regieanweisungen unter: Noch ein Kuss hier, dichter zusammen dort. Mittendrin steht die Trauzeugin im grauen Zweiteiler und lächelt. Der Wahlkampf hat bekanntlich bereits begonnen.

Den „Top-Tag“, wie sie sagt, nutzt auch Roth als Trauzeugin. „Die Bayern sollen endlich aus ihrer Schmollecke rauskommen. Deren Äußerungen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe sind die letzten Zuckungen der Lederhosen-Reaktionäre.“ Roth öffnet ihren kleinen Mund, der plötzlich ganz groß wird und zeigt lachend ihre Zähne.

Derweil sitzt Petra Ruf frisch vermählt in der ersten Reihe und wird fröhlich von Tochter Anna und Sohn Jakob umtobt. Sie und ihre Frau Silke Burmeister-Ruf sind Routiniers, besiegelten ihre Partnerschaft bereits symbolisch bei einer Tauffeier für Anna und mit der Hamburger Ehe. Sie fand die Zeremonie gut, über den Presserummel seien sich ja alle im Klaren gewesen.

Dass unter den 15 Paaren nur drei lesbische sind, erklärt Ruf mit einem größeren Selbstbewusstsein der Schwulen. Sie kenne aber auch andere lesbische Pärchen die heiraten würden, gerade solche mit Kindern. Obwohl es immer noch Defizite gibt. So können Anna und Jakob nur den Namen ihrer leiblichen Mutter tragen. Viele Frischvermählte kritisieren auch die noch bestehende Benachteiligung im Steuerrecht.

Nochmal Fototermin, alle Paare hoch auf die Bühne. Konfetti und Blütenblätter fliegen, aus den Boxen verkünden das Pop-Duo „Rosenstolz“ und Hella von Sinnnen: „Ja, ich will“, und dann reißt auch noch der Himmel auf, der laut Krista Sager bisher „vor Rührung“ vor sich hin tröpfelte. Beck schwingt die Hüften, alles winkt und ist für einen Moment tatsächlich gerührt.

Auch der 72-jährige Alfred Kaine und sein 66-jähriger Freund John Günther, die das Spektakel Arm in Arm verfolgen. Was halten die beiden von der Lebenspartnerschaft? Dumme Frage, sie sind „sehr glücklich“ und werden den Bund bald selbst eingehen. Schließlich sind sie im November seit 40 Jahren ein Paar.