Tischgebet nur abends

Karlsruhe: Konservative Eltern scheitern mit Klage gegen „verlässliche Grundschule“ in Sachsen-Anhalt

FREIBURG taz ■ Sachsen-Anhalt kann zum Schuljahresbeginn eine „Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten“ einführen. Eine „Bürgerbewegung Abc-Schützen“ hatte hiergegen Front gemacht, scheiterte nun aber mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht. Die Pläne des Landes sehen vor, dass alle Grundschüler fünfeinhalb Stunden pro Tag Unterricht erhalten oder betreut werden. Für die Betreuung wurden rund 1.200 ErzieherInnen eingestellt, die bisher bei angeschlossenen Kinderhorten arbeiteten. Die Kinderhorte selbst werden aufgelöst.

Die „Bürgerbewegung Abc-Schützen“ sieht in diesem Konzept jedoch einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern. Wegen des vorgesehenen „Teilnahmezwangs“ könnten die Kinder selbst dann, wenn die Mutter zu Hause sei, nicht am häuslichen Mittagessen und Tischgebet teilnehmen. Wegen der „weit ausgedehnten Einflussnahme des Staates“ hätten Eltern kaum noch die Möglichkeit, eigene Erziehungsziele zu verfolgen.

Tatsächlich unterscheidet sich Sachsen-Anhalt von anderen Modellen einer verlässlichen Grundschule, etwa in Rheinland-Pfalz. „Dort wird die Betreuung lediglich an den Unterricht angehängt, während bei uns Phasen der An- und der Entspannung abwechseln“, betonte ein Ministeriumssprecher. Das neue Modell sei daher „pädagogisch besonders wertvoll“, habe aber, das räumte er ein, eine ausgeweitete Schulpflicht zur Folge.

Vor wenigen Tagen hatte bereits das Landesverfassungsgericht in Dessau eine einstweilige Anordnung gegen das Gesetz abgelehnt, nun entschied auch das kurzfristig angerufene Bundesverfassungsgericht im gleichen Sinne. Die Folgen einer Aussetzung des Gesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache seien zu schwerwiegend, hieß es in dem Beschluss. So würde ein „weit überwiegend“ begrüßtes neues Schulmodell gestoppt, die HortnerInnen könnten nicht beschäftigt werden und die sichere Kinderbetreuung, die für arbeitende Eltern wichtig sei, würde entfallen. Dagegen sei nicht erkennbar, dass ein Start des Gesetzes die Erziehung der Kinder „dauerhaft und nachhaltig“ erschwere. So könnten etwa Tischgebete beim gemeinsamen Abendessen der Familie stattfinden. CHRISTIAN RATH