Flotter Zwirn & blaue Zunge

22 Millionen Haustiere leben in bundesdeutschen Haushalten, schätzt der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Sozialpartnerschaft zwischen Heimtier und Mensch in der wachsenden Singlegesellschaft einen immer höheren Stellenwert einnimmt. So geben Deutschlands Tierhalter jedes Jahr inzwischen fünf Milliarden Mark für ihre Tierfreunde aus.

Die Industrialisierung der Tierliebe boomt. Neben 63 Tierzeitschriften wie Die Blaue Zunge, Meerschweinchen News und Unsere Dackel – Unsere Freunde gibt es auch im Internet unzählige Seiten für den Tierfreund. Hunderte von Produktangeboten, die als Tierbedarf deklariert sind, können online erworben werden. „Ufos“ mit Katzenminze, Rüdenabweis-Spray, Nager-Toasti-Mix, Olympiaringe für Vögel und der Hundemantel Klaus („Ein flotter Zwirn für Ihren Liebling“) sind nur einige Artikel aus dem Sortiment.

In 4.076 Praxen Deutschlands werden die Haustiere von Tierärzten medizinisch behandelt. Viele Halter schließen wegen der hohen Kosten im Krankheitsfall ihres Tieres (eine Spritzenbehandlung zirka hundert Mark) eine Haustierversicherung ab. Zum Preis von 32,80 Mark im Monat umfasst etwa die Katzen-Krankenversicherung „Garfield“ – angeboten unter www.versicherungsladen.de – alle Kosten für die ambulante und stationäre Behandlung beim Tierarzt, inklusive Arzneimittel sowie Labor- und Röntgendiagnostik. Auch eine statistisch nicht erfasste Zahl von Tierheilpraktikern, Tierphysiotherapeuten und Tierpsychologen gibt es hierzulande. Weil für diese Berufe jedoch keine reguläre Ausbildung angeboten wird, gibt es auch keine offiziellen Zulassungen.

Rund acht Millionen Menschen in der Bundesrepublik reagieren auf Katzen, Hunde, Pferde, Vögel, Meerschweinchen, Hamster oder Mäuse allergisch. Anzeichen können tränende, juckende oder gerötete Augen, eine verstopfte oder laufende Nase und ständige Niesattacken sein. Viele Allergiker behalten dennoch ihr Tier. Oft bricht die Überempfindlichkeit erst aus, wenn die Besitzer sich an das Tier gewöhnt haben. „Viele“, so eine Mitarbeiterin des Tierheims Berlin-Lankwitz, „nehmen dann die Schwierigkeiten in Kauf und leben zu Hause mit Mundschutz und wischen das Fell ihres Tieres feucht ab.“ Der „Allergie-Abgabegrund“ erscheint jedoch häufig fragwürdig; den Besitzern fehlen oft alle allergischen Anzeichen, wenn sie mit dem Tier auf dem Arm ins Tierheim kommen. Jährlich landen nach Aussage des Deutschen Tierschutzbundes 282.000 Tiere im Heim, davon 102.000 Hunde und 140.000 Katzen.

Bereits im vergangenen Jahrhundert entstanden die ersten Tierfriedhöfe in Deutschland. „Mittlerweile“, so der Bundesverband der Tierbestatter e. V., „steht es dem Tierhalter auf etwa siebzig Tierfriedhöfen offen, seinem Tier einen ästhetischen wie auch ethisch berechtigten Dienst zu erweisen.“ Im Internet gibt es den virtuellen Friedhof www.virtuellerfriedhof.net, auf dem man seinem Liebling ein Denkmal setzen kann.

Neben Tierdetekteien, die nach verschwundenen Tieren suchen, gibt es unter www.tiersuche.de Anzeigen zu verschwundenen und gefundenen Hunden, Katzen, Pferden und Vögeln. MAJA NOWAK