■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Klein-McKinsey ist wieder da
Gleich nach dem menschlichen Genom und dem Flugverhalten des Kolibri gehört Bremens Kulturlandschaft zu den am besten erforschten Wissensgebieten, dachte ich immer. Bei der Controlling-Gesellschaft kmb lagern alle Daten, Zahlen und Fakten sowie aktendicke Gutachten über einzelne Einrichtungen, und in den Regalen der Senatskanzlei sowie der senatorischen Kulturabteilung liegen McKinsey-Gutachten, Kulturmarketing-Studien und weitere Materialsammlungen. Doch der menschliche Forscherdrang kennt keine Grenzen. Und so wird auch Bremens Kulturlandschaft weiter erforscht.
Mitten in der Sommerpause hat die Bremer Kulturszene jetzt Post bekommen. Ein „culturplan e.V.“ erhebt in einem siebenseitigen Fragebogen Daten für eine „Kulturdatenbank“ sowie einen „Kulturatlas Bremen“, die für eine „qualifizierte Darstellung der vielfältigen ,Kulturlandschaft Bremen' notwendig und sinnvoll sind“ und zugleich „der Vorbereitung einer möglichen Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010 dienen“ soll. Trotzdem haben es die Interviewer eilig: Bis zum 16. August sollen die Bögen ausgefüllt sein, obwohl jeder zweite derzeit im Urlaub ist.
Egal, denn ich bin vor allem über den Verein „culturplan“ gestolpert. Der residiert am Herdentorsteinweg 7 genau unter der selben Adresse wie die Kulturabteilung des Senats. „culturplan“ ist eigentlich kein Verein, sondern eine Firma, und diese Firma war beteiligt, als die Unternehmensberatung McKinsey 1997 die Bremer Kulturszene begutachtete. Das Ziel damals: den Zuschussbedarf an die Haushaltseckwerte, also den geplanten Etat anpassen. Die vollmundige Ankündigung der Gutachter: „Wir bringen einen Nutzen, der die Kosten um ein Vielfaches übersteigt.“ Der jährliche Etat im Sinne der Haushaltseckwerte liegt heute um über zehn Millionen Mark über dem damaligen Plan, die Gutachterkosten überstiegen – in diesem Sinne – den Nutzen um ein Vielfaches und betrugen mindestens 1,5 Millionen Mark.
Es ist den Gutachtern nicht anzulasten, wenn die Auftraggeber die Ergebnisse nicht umsetzen. Denn rein theoretisch haben McKinsey und „culturplan“ das Ziel sehr wohl erreicht. Ich habe sogar gehört, dass die damals aus Gründen fachlicher Qualifikation dazugeholte Firma „culturplan“ sogar mit viel spitzerem Stift gerechnet hat als die Betriebswirte von McKinsey. Der harmlos wirkende Fragebogen dürfte deshalb noch für Aufsehen sorgen.
Der „culturplan e.V.“ ist nicht der erste Versuch, das C-Wort dauerhaft in Bremen zu etablieren. Vor zwei Jahren wollte „culturplan“ im Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Bremen ein Institut gründen. Es gab Befürworter, und es gab Gegner. Und als die Professoren genauer nachlasen, welche Rolle „culturplan“ im so genannten McKinsey-Prozess gespielt hatte, haben sich die Gegner durchgesetzt.
„culturplan e.V.“ ist also ein neuer Versuch, eine Filiale in unserer schönen Stadt zu gründen. Mein Opa sagte immer: „Totgesagte leben länger“, und meine Oma seufzte dann: „Was das alles wieder kostet!?“ Aber die beiden lebten schließlich noch nicht in der Wissensgesellschaft, konstatiert und verifiziert Ihre Rosi Roland
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