Biotop Biotonne

Machen braune Tonnen krank? Experten können sich nicht über die möglichen Gefahren von Keimen einigen

BERLIN taz ■ Von der Biotonne zum Biotop ist es in diesen Tagen ein kleiner Schritt: In der Tonne gärt ein pappiger Brei unter idealen Bedingungen für Schimmelpilze und Bakterien, ungefähr so muss das Leben in der frühzeitlichen Ursuppe entstanden sein.

Bei allem Ekel tröstet eine Studie im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Von den Tonnen geht demnach keine Gefahr durch Keime aus. Einzig immunschwache Menschen sollten sich von den Biotopen fern halten.

Alles Quatsch, hält der Düsseldorfer Allergologe Professor Martin Schata dagegen: „Gesundheitlich ist die Biotonne eine Katastrophe.“ Gerade im Sommer verwandle sich der Mix aus Essensresten und Küchenabfällen zur idealen Brutstätte für Schimmel und Bakterien, so Schata. Vor allem in Ballungsräumen sei das ein Problem: „In ländlichen Gebieten weht immerhin Wind über die Biotonnen und verteilt die Keime.“ Für einen großen Prozentsatz der Bevölkerung sei diese Keimkonzentration ein ernstes Gesundheitsrisiko.

Die Bundesanstalt sieht das anders: „Was stinkt, ist nicht gleich gefährlich“, sagt Manfred Santjer, Projektingenieur des Institutes für Abfall- und Abwasserwirtschaft. Das Institut aus Ahlen hat die Koordination der Forschung an dem Bioabfall übernommen. Im Mittelpunkt der Studie standen allerdings nicht die Nutzer der Tonnen, sondern die Müllmänner. Aber auch hier gibt die Studie laut Sentjer Entwarnung: „Wir konnten keine erhöhte Gefährdung der Müllwerker ausmachen. Selbst wenn sie über ein Jahr hinaus täglich Biotonnen geleert haben.“ Als Nebenprodukt lässt sich aus den Forschungen ableiten, dass für Verbraucher keine Gefährdung durch Schimmel, Toxine oder Bakterien aus der Tonne besteht. Santjes: „Normalerweise nimmt man am Tag ja nur einen kräftigen Zug aus der Biotonne.“

Die Verbrauchzentralen bestätigen das Forschungsergebnis: „Es gibt natürlich eine Risikogruppe, die sich von den Tonnen fern halten sollte. Für alle anderen ist der gammelnde Müll unbedenklich“, sagt Dirk Petersen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Zur Risikogruppe gehörten insbesondere Menschen mit Immunschwächekrankheiten. „Das ist glücklicherweise ein begrenzter Teil der Bevölkerung“, sagt Petersen.

Die angeblich lauernde Gefahr aus der Biotonne kommt unter Verbraucherschützern regelmäßig ins Gerede. „Es gibt unterschiedliche Ansätze“, meint Friederike Farsen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Aber auch sie sieht die Diskussion gelassen: Prinzipiell seien in der Tonne keine anderen Keime als in der Natur. „Es ist nur eine Frage der Keimkonzentration“, sagt Farsen. Die ist in der Tonne natürlich viel höher als in der Natur.

Abhilfe könnte eine Belüftung der Tonne schaffen. Eine Firma aus Münster bietet dazu spezielle Filter an. In einigen Kommunen kommen diese bereits zum Einsatz. CONSTANTIN VOGT