Ein Ali, zwei Tore, drei Punkte

■ Jörg Albertz gewinnt 2:0 gegen Stuttgart, beschert dem HSV die ersten drei Punkte, bringt seinen Trainer an den Rand der Schwärmerei und seinen Ex-Coach ins Dozieren

Alter und neuer Heilsbringer für den Hamburger SV ist Jörg Albertz. Der für 9,5 Millionen Mark von den Glasgow Rangers zurückgeholte offensive Mittelfeldspieler machte am Samstag beim 2:0 Sieg gegen den VfB Stuttgart genau das, wofür er eingekauft wurde: Tore schießen und Tore vorbereiten. Knapp 40 Minuten lang fiel der Blondschopf den 40.000 Zuschauern in der Arena lediglich durch verlorene Zweikämpfe und unglückliche Zuspiele auf. Doch dann jagte der Linksfuß nach einem eher zufälligen Pass von Bernd Hollerbach dem VfB-Keeper Timo Hildebrand völlig überraschend die Kugel in die Maschen. Fortan war „Ali“ ein anderer: Er strotzte vor Selbstbewusstsein, glänzte mit Pässen und demonstrierte einen unwiderstehlichen Drang in Richtung des gegnerischen Strafraums.

Als Albertz auch noch gekonnt das 2:0 für Erik Meijer auflegte, wäre er am liebsten eine Ehrenrunde über die Zuschauerränge geflogen. Doch eine bereits in der 22. Minute erlittene Knieverletzung stoppte seinen Tatendrang und zwang ihn zum vorzeitigen Abgang. Eine Kernspintomographie ergab gestern eine Innenband- und Kapselzerrung sowie eine Knochenprellung. Dennoch halten die Ärzte seinen Einsatz am nächsten Samstag in München gegen 1860 für wahrscheinlich. „Es hat sich gelohnt, dass ich durchgehalten habe“, befand der 30 Jahre alte Ex-Schotte, der letztmals am 24. April 1996 für den HSV getroffen hatte.

Von Zweifeln unangefochten äußerte sich HSV-Chef Werner Hackmann: „Albertz hat die Erwartungen erfüllt.“ Und HSV-Coach Frank Pagelsdorf geriet angesichts der gezeigten Leistung – für seine Verhältnisse – geradezu ins Schwärmen: „Eine exzellente Heimpremiere von Jörg.“

Der zu Beginn des Spiels sichtlich angespannte Trainer hatte seiner Mannschaft nach der 0:1-Pleite zum Saisonstart in Cottbus bedingungslosen Erfolg verordnet. Der Druck entlud sich in ungewohnt akrobatischen Luftsprüngen des 105-Kilo-Mannes nach dem zweiten Tor. „Ich bin froh, dass wir trotz der vielen verletzten Spieler einigermaßen aus den Startlöchern gekommen sind“, gestand der erleichterte Coach, der in den Hitlisten der Wettbüros als Nummer drei der möglichen Trainer-Entlassungskandidaten geführt wird.

Kollege Felix Magath, dem als HSV-Chefcoach 1997 der Stuhl vor die Tür gesetzt worden war, erinnerte seine in der jungen Saison noch sieglose VfB-Mannschaft an die Grundlagen des mitteleuropäisch geprägten Ballspiels auf Rasen. „Fußball ist ein Kampfsport. Wer die meisten Zweikämpfe gewinnt, gewinnt das Spiel“, dozierte er und grollte: „Wir haben den Gegner stark gemacht. Nach dem 0:2 haben wir aufgesteckt.“ Die mit neuem Angriffs-Duo Ioan Viorel Ganea und Jochen Seitz angetretenen Schwaben bewiesen, warum sie seit 18 Auswärtsspielen kein Bein auf den Boden bekommen haben: harmlos, zahnlos, kraftlos. Gefällig zwar im Mittelfeld, doch im Sturm weht kaum ein Lüftchen. „Die Stuttgarter haben stark abgebaut“, stellte Hackmann abschließend fest.

Für VfB-Spiellenker Krassimir Balakow, der sich durch Lauffreude auszeichnete, ist der verpatzte Saisonauftakt das erwartete Ergebnis. „Dass es schwer wird, war schon vor Saisonbeginn abzusehen“, meinte der Bulgare und beugte für die Zukunft vor: „Wir haben eine sehr junge Mannschaft. Wir müssen sehr viel Geduld haben.“

Franko Koitzsch