PARLAMENT IN IRAN FORDERT DIE KONSERVATIVEN HERAUS
: Alter Konflikt, aber neue Qualität

Auf den ersten Blick wirkt es wie das übliche Geplänkel. Irans Religiöser Führer Ajatollah Ali Chamenei hat sich geweigert, den wiedergewählten Präsidenten Mohammad Chatami zu vereidigen. Der übliche Machtkampf zwischen Konservativen und Reformern also? Nein, so einfach ist es nicht. Denn diese jüngste Provokation hat eine Vorgeschichte und die signalisiert eine neue Qualität im iranischen Dauerkonflikt.

Denn zuvor hatte es das Parlament erstmals abgelehnt, die Ernennung von drei neuen Mitgliedern des mächtigen Wächterrats zu bestätigen. Eine solch klare Kampfansage der Reformer an die Konservativen hatte es bisher nicht gegeben.

Der Wächterrat ist eines der stärksten Kampfgremien der Reformgegner. Er entscheidet, wer als Präsident kandidieren darf. Dass Chatami vor fünf Jahren erstmals antreten durfte, war eine glatte Fehlkalkulation des Rates. Er hatte dem weitgehend unbekannten Kleriker schlicht keine Chance zugerechnet. Doch stattdessen erlangte Chatami einen Erdrutschsieg, den er bei den Wahlen vor zwei Monaten sogar noch ausbauen konnte. Die Konservativen waren entsetzt.

Irans Parlamentarier fühlen sich durch den neuen überwältigenden Sieg Chatamis offensichtlich ermutigt, die Reformgegner wirklich herauszufordern. Dass deren Ikone, der Religiöse Führer Chamenei, daraufhin zurückschlägt – das war zu erwarten. Doch der politische Schachzug des ergrauten und in der Bevölkerung wenig beliebten Ajatollahs ist kraftlos. Schließlich geht es bei dem Machtkampf längst nicht mehr um Chatami oder nicht Chatami, sondern um die Zukunft Irans.

Chatami ist nur noch ein Übergangspräsident. Wenn er seine Versprechen nicht endlich gegen seine Gegner durchsetzt, wird er wahrscheinlich bald als tragische Figur enden, die der Eigendynamik des Konflikts nur noch machtlos zusehen kann. Denn die iranische Bevölkerung hat Chatamis Ideen längst überholt – und, wie sich nun zeigt, auch etliche ParlamentarierInnen, die ernsthaft bereit sind, für Veränderung zu kämpfen. Das macht Hoffnung. THOMAS DREGER