friedensdemo in israel
: Eine Minderheit mit Potenzial

Eigentlich hatte damit niemand mehr gerechnet: Es gibt die israelische Friedensbewegung doch noch. Am Samstag hat sie in Tel Aviv demonstriert. Zwar nur einige tausend, aber immerhin. Auch das letzte Mal – vor Oslo – hat die Friedensbewegung klein angefangen; doch zwischendurch schien sie die Mehrheit der Israelis überzeugt zu haben, dass eine Aussöhnung mit den Palästinensern sein muss.

Kommentarvon TSAFRIR COHEN

Allerdings kam diese Überzeugung – buchstäblich – über Nacht abhanden. Als die Verhandlungen zwischen Barak und Arafat in Camp David scheiterten, lief die Bevölkerungsmehrheit zum „Falken“ Scharon über. Von diesem Meinungsumschwung blieben auch die „Tauben“ der Friedensbewegung nicht unberührt. Hatte doch Barak die bis dato weitestgehenden Konzessionen an die Palästinenser gemacht. Ohne Ergebnis. Dass dies ausschließlich die Schuld der Palästinenser sein muss – darin wurden die Israelis auch bestärkt, weil sich der Vermittler Clinton und große Teile der Weltöffentlichkeit auf ihre Seite schlugen.

Alte Zweifel wurden wach – selbst in der Friedensbewegung: Arafat habe den Vertrag nicht unterschrieben, weil er eigentlich das ganze historische Palästina beanspruche und Israel – den „kolonialen“ Dorn aus dem Fleisch der arabischen Welt – entfernen wolle.

Angesteckt von der nationalen Hysterie und erschreckt über ihre schlechten Werte in den Meinungsumfragen, übertrumpften sich die Führer der Arbeitspartei gegenseitig mit rechten, „sicherheitsrelevanten“ Sprüchen. Doch auch die Bürgerrechtspartei Meretz, die größte linke Oppositionspartei, ist verstummt – oder ebenfalls um ihr patriotisches Image bemüht.

Israel ist wieder dort angekommen, wo es vor den Friedensverhandlungen war: Es ist eine Nation, die um ihr Leben kämpft in einer feindlichen Welt. Und die israelische Linke ist wieder geschrumpft auf eine kleine Minderheit, die sie auch schon immer – vor Oslo – war.

Aber immerhin: Der „harte Kern“ der Friedensbewegung hat jetzt seine Sprachlosigkeit verloren. Wenn die Weltöffentlichkeit resolut deutlich macht, dass sie eine Aussöhnung wünscht und dies nur zu den völkerrechtlichen Bedingungen akzeptiert – Aufgabe der Siedlungen, aber garantierte Existenz für Kernisrael – dann könnte die Mehrheit der Israelis für einen Dialog mit den Palästinensern gewonnen werden. Wie schon einmal.

Der Autor ist freier Journalist aus Israel und lebt in Berlin