Lost in Maisfeld

■ Und irrt und irrt und irrt – ein Erlebnisbericht aus dem Maisfeld-Labyrinth in Groß Mackenstedt

Von oben sieht alles ganz einfach aus. In ein verhältnismäßig kleines Maisfeld sind ein paar Gänge geschlagen, ziemlich systematisch, nicht sonderlich verschachtelt. Das wird ja wohl zu schaffen sein! Optimistisch passieren wir das „Eingang“-Schild und betreten das Maisfeld-Labyrinth der Familie Kuhlenkamp. Tschüss, Außenwelt! Bis gleich!

Doch relativ schnell wird klar, dass wir uns verrechnet haben. Was von oben so übersichtlich wirkte, hat seine Tücken: Der Mais ist nicht nur viel zu hoch, um einen Blick obendrüber werfen zu können, er ist zudem auch noch vollkommen blickdicht und sieht – halleluja – überall absolut gleich aus. Anhaltspunkte? Fehlanzeige.

Trotzdem glauben wir fest an den Ausgang und an unser ehrgeiziges Ziel, alle Fragen auf dem blauen Fragebogen richtig zu beantworten, den wir am Eingang bekommen haben. „Wir müssen unbedingt die Reise nach Paris gewinnen“, nimmt sich meine Begleiterin Charlotte vor. Dennoch – nach einer Viertelstunde haben wir noch nicht einmal die erste der angeblich zwölf „Fragestationen“ gefunden, die irgendwo im Mais versteckt sein sollen. Wo wir sind, wissen wir ohnehin schon lange nicht mehr, an den Abzweigungen entscheiden wir uns „nach Gefühl“ mal für rechts, mal für links, mal für geradeaus.

„Manche Leute waren schon nach 35 Minuten wieder draußen“, erinnere ich mich an die Worte von Maisfeld-Chefin Jutta Kuhlenkamp. Da müssen wir uns aber beeilen! Immerhin, inzwischen ist die erste Station aufgetaucht, siegessicher lesen wir die Frage zum Thema „Verirren & Orientieren“ – und schweigen betreten. Wie lange hat Odysseus Frau noch gleich auf ihren Mann warten müssen ...? Waren es sieben Jahre? Siebzehn? Oder gar zwanzig? „Mal sehen, was die anderen so ankreuzen“, schlage ich angesichts der Tatsache vor, dass sich gerade eine Familie an der gleichen Station einfindet. Doch Labyrinth-Solidarität hin oder her, abschreiben lässt uns keiner, genauso wenig wie man sich gegenseitig vor Sackgassen warnt. „Wir verraten nix“, feixt ein Familienvater und lässt uns gnadenlos ins Verderben – also in die Sackgasse – rennen.

Wir irren weiter und versuchen uns verzweifelt an kleinen Kaugummi-Papieren am Wegrand zu orientieren. Über unseren Köpfen rascheln die Maisblätter im Wind. „Irgendwie laufen wir im Kreis“, stellt Charlotte fest, als wir zum x-ten Mal an Station Nummer 10 landen. „Wir sollten versuchen, von hier weg zu kommen.“ Leichter gesagt als getan. Kurzzeitig versuchen wir ein System zu entwickeln und nehmen konsequent zwei Abzweigungen links, dann eine rechts, mit dem Erfolg, dass wir fünf Minuten später wieder bei der verflixten 10 stehen.

Ob die Besitzer selbst sich hier zurecht finden? Kaum vorstellbar, und doch erzählt Jutta Kuhlenkamp später, ihr Mann und ihr Schwiegervater hätten überhaupt keine Probleme. Sie selbst allerdings würde „zur Sicherheit“ einen Plan mitnehmen. Den hätten wir jetzt auch gerne! Zwar haben wir inzwischen fast alle Stationen gefunden, sind aber auch schon seit über einer Stunde hier drin. Auf Dauer bekommt das Wandern durch die ewig gleichen, grünen Gänge fast schon etwas Meditatives, abgesehen davon, dass wir uns natürlich bestens amüsieren.

Auch die Kinder finden's toll. Sie freuen sich wie Könige über jede gefundene Station und jagen begeistert durch die mit Stroh ausgelegten Gänge – durch die sogar Rollstühle problemlos fahren können, wie Jutta Kuhlenkamp versichert. Überhaupt, und das merkt man, steckt viel Mühe in der Gestaltung des Labyrinthes. Auf Millimeterpapier haben die Landwirte zunächst das Gängesystem ausgetüftelt, das dann, als der Mais noch niedrig war, in das drei Hektar große Feld gehackt wurde. Jetzt steht das Labyrinth noch bis zum 9. September, dann wird Viehfutter daraus werden.

Bis dahin haben wir also noch Zeit – sehr beruhigend. Allmählich frage ich mich, ob es den berühmten Ausgang überhaupt irgendwo gibt. „Ein Bett im Maisfeeeld“, trällert auch Charlotte etwas resigniert vor sich hin. „Das ist immer frei ...“ Doch dann der entscheidende Tipp von einer hilfsbereiten Familie. „Da hinten ist irgendwo ein Ausgang“, verraten sie gnädig, und wir stolpern mit neuem Mut voran. Tatsächlich! Nach anderthalb Stunden kommen wir zwar am Eingang wieder raus. Wir haben es überlebt!

Bodil Elstner

Das Mais-Labyrinth ist über die Autobahn A1 – Ausfahrt Delmenhorst Ost – zu erreichen, es liegt direkt an der B 322. Umherirren kann man täglich von 10 bis 19 Uhr, freitags und samstags auch bis Mitternacht. Der besondere taz-Tipp: Vom 10. bis 14.8. gibt es viele Sternschnuppen am Himmel, die sich vom Maisfeld aus schön bewundern lassen! Infos im Internet unter www.maisirrgarten.com .