Kalkulierte Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosenzahlen in Berlin und Brandenburg steigen deutlich an. Der DGB spricht von einer „dramatischen Entwicklung“, die Politiker üben sich wie immer in gegenseitigen Schuldzuweisungen

von DIRK HEMPEL

In Berlin und Brandenburg gibt es mehr Arbeitslose – mehr als im Vormonat und mehr als vor Jahresfrist. Eine „dramatische Entwicklung“ wie DGB-Sprecher Dieter Pienkny findet: „Das ist der höchste Anstieg seit acht Jahren.“

Insgesamt waren im Monat Juli mehr als eine halbe Million Arbeitslose registiert, das sind rund 16.000 mehr als im Juni und 26.000 mehr als vor einem Jahr. Damit ist jeder sechste Erwerbsfähige in Berlin und Brandenburg ohne Beschäftigung. In Senftenberg, unter den Kommunen in Berlin und Brandenburg der Siptzenreiter, sogar jeder vierte.

Dafür macht der Gewerkschaftsbund vor allem die Arbeitsmarktpolitik verantwortlich: Das „riesige Potenzial der Region“, so Pienkny zur taz, bleibe ungenutzt, weil zu wenig Geld in Qualifizierung und Umschulung gesteckt werde. Auch bei Arbeitsbeschaffungs- (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) werde gespart: Im Juli gab es rund 21.000 Plätze weniger als noch vor einem Jahr. Die Berliner CDU, bis Mitte Juni noch selbst in der Regierungsverantwortung in Berlin, nutzt ebenfalls die Chance zur Schuldzuweisung: Spitzenkandidat Frank Steffel spricht von einem „Schröder-Wowereit-Debakel: Steigende Arbeitslosigkeit – weniger Investitionen“. Ein Bündnis zwischen Sozialdemokraten und PDS werde diesen Trend noch verschärfen, so Steffel.

Natürlich aber will niemand die Verantwortung für diese Entwicklung übernehmen. Carola Freundl, Fraktionsvorsitzende der PDS im Abgeordnetenhaus, sieht die Ursache für die hohen Arbeitslosenzahlen bei der Politik der großen Koalition: Im Haushalt dieses Jahres habe der schwarz-rote Senat Gelder in Millionenhöhe gekürzt. Außerdem sei die Strategie undruchsichtig: „Es gibt 1.000 verschiedene Programme, aber keines wird richtig gemacht, weil überall Geld fehlt.“

Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) schiebt die Schuld allerdings den Unternehmern zu: Diese müssten mehr Arbeitsplätze schaffen „und damit den Berlinerinnen und Berlinern neue Beschäftigungsperspektiven“ erschließen. Darin ist sich Schöttler mit dem Arbeitsministerium Brandenburg einig: „Wir geben viel Geld aus, um aktive Arbeitsmarktförderung zu betreiben“, erklärt die Staatssekretärin für Arbeit Margret Schlüter der taz. Nun sei die Wirtschaft gefragt, Arbeitsplätze in der Region zu schaffen.

Die Zunahme im Monat Juli ist zwar normal. Nach Auskunft des Landesarbeitsamtes ist sie in diesem Jahr aber „stärker als in der Vergangenheit“. Dies liege zum einen daran, dass geburtenstarke Jahrgänge zum Halbjahresende die Schule beendet hätten. Außerdem habe es mehr Kündigungen gegeben, vor allem bei Büroberufen und Verkäufern. Auch die fehlenden 21.000 Plätze in ABM und SAM schlagen sich in der Statistik nieder. Laut Arbeitsamtssprecher Klaus Pohl eine kalkulierte Entwicklung: Die Maßnahmenprogramme hätten sich nur teilweise bewährt, deswegen setze das Amt jetzt stärker auf Qualifizierungsprogramme. An den Finanzen solle es dabei nicht scheitern: „Geld ist genügend da.“