vorlauf
: Schuld und Lüge

„Heldentod“

(20.45 Uhr, Arte)

Jahrelang wurde der ehemalige Grenzsoldat Egon Schultz in der DDR zum Volkshelden hochstilisiert. Westberliner hätten ihn heimtückisch ermorden lassen, hieß es damals in den DDR-Zeitungen. Die „heimtückischen Mörder“ waren nach Ansicht der Stasi vier Fluchthelfer, die mit ihren Freunden den längsten Tunnel unter den Todesstreifen bauten. Wer den 21-jährigen Schultz wirklich ermordet hatte, wurde erst Jahre später bekannt – es war kein Fluchthelfer, sondern ein „Gefährte“ aus den eigenen Reihen.

Den 40. Jahrestag des Mauerbaus nimmt Arte zum Anlass, den Mord aufzurollen. In „Heldentod“ kommen Zeitzeugen zu Wort, die vor 35 Jahren am Schacht des 145 Meter langen Fluchttunnels gebuddelt haben. Sie erzählen von ihren Ängsten und Schwierigkeiten, aber vor allem von Egon Schultz und den Folgen falscher Beschuldigungen. Eindrücklich schildern sie, was die „Propagandalüge“ über die Tat für die Betroffenen zu bedeuten hatte.

Im Dokumentarfilm werden zum ersten Mal die Aufnahmen von Thomas Mauch gezeigt, einem Kameramann, der das Tunnelprojekt damals dokumentierte. Er bezeichnet es als das schwierigste, das er je gemacht habe. „Es war oft so heiß, dass ich in der Badehose im niedrigen Schacht lag und die Arbeitenden filmte“, sagt er jetzt.

Der Schauspieler und ehemalige Fluchthelfer Wolfgang Fuchs mietete damals einen ausgedienten Bäckereikeller. Der Keller diente jedoch viel mehr als Ausgangspunkt für den Tunnel, durch den später 57 Freunde der Westberliner Studenten geschleust wurden.

Mit Hilfe von Mauchs Filmmaterial gelingt es Regisseurin Britta Wauer, dem Zuschauer die Emotionen der Fluchthelfer und Flüchtenden zu vermitteln, und ihn noch einmal durch die engen Gänge des Tunnels kriechen zu lassen. „Heldentod“ lebt aber nicht in erster Linie von der Nostalgie, sondern zeigt, wie der Mord an Grenzsoldat Schultz das Leben der Betroffenen verändert hat. Wauer rückt dabei von der heldenhaften Perspektive ab, in der der Erschossene über Jahre hinweg betrachtet wurde, und versucht stattdessen, das Ereignis kritisch zu beleuchten. Ein gelungener Film, der über den Anspruch hinausgeht, bloße Zeitdokumentation zu sein. KARIN WENGER