KLONFORSCHER WAREN BISLANG VERPÖNT, HEUTE WERDEN SIE HOFIERT
: Völlig losgelöst

Nehmen wir mal an, ein paar Astronauten wären 1997 von der Erde gestartet und erst jetzt, im Sommer 2001, aus dem Weltraum zurückgekehrt.

Die Heimkehrer würden sich ganz schön wundern. Als sie die Erde verließen, war gerade das Klonschaf „Dolly“ geboren worden. Ein paar Spinner redeten damals davon, Menschen klonen zu wollen. Im Internet forderte eine Gruppe Spaßmacher, Lady Di und Mutter Teresa zu klonen, nachdem beide im August 1997 gestorben waren. Motto: Ein gutes Leben verdient eine zweite Chance. Aber niemand nahm die Klonbefürworter seinerzeit wirklich ernst. Sie waren ja auch zu albern: Da war zum einen die kanadische Ufo-Sekte „Raelian Movement“, deren Anführer Claude Verilhon angeblich durch Außerirdische entführt wurde. Und dann meldete sich noch der italienische Frauenarzt Severino Antinori zu Wort, der schon immer für ein paar Grenzüberschreitungen gut war. In den 90er-Jahren hatte er seinen zweifelhaften Ruf begründet, als er 60-Jährigen zu späten Mutterfreuden verholfen hatte.

Inzwischen hat sich die Situation grundlegend verändert. Längst schweigen die Lämmer – und der Reiz der menschlichen Duplikate wächst. Darüber hat sich auch die Beurteilung der Spinner von einst gewandelt. Sie sind mittlerweile zu Medienstars geworden, die sogar von seriösen Forschern zum Gespräch gebeten werden. Brigitte Boisselier, Direktorin von Raels Klon-Firma „Clonaid“, wurde bereits vor dem US-Repräsentantenhaus gehört. Gestern Abend legten Boisselier – wie auch Antinori – dann ihre detaillierten Klonpläne einem Ausschuss der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften dar.

Das ist das eigentlich Beunruhigende an Gentechnik und Klonforschung: Während in Deutschland Wissenschaft und Öffentlichkeit noch mit dem munteren Hase-und-Igel-Spiel „Wer hat die Stammzellen?“ beschäftigt sind, werden andernorts Tatsachen geschaffen und konkrete Zeitpläne vorgelegt. Die Spinner von einst gelten zwar noch als Außenseiter, aber dennoch werden sie von der Politik hofiert und langsam in die Scientific community eingemeindet. Die Öffentlichkeit kommt den Klon-Exzentrikern entgegen – nicht umgekehrt.

Wäre vor vier Jahren prophezeit worden, dass sich US-Politiker einmal mit dem Für und Wider des Klonens auseinander setzen, hätten sich nicht nur Außerirdische an die Stirn getippt. Völlig losgelöst entfernen sich die westlichen Gesellschaften von ihren moralischen Grundlagen. Houston, wir haben ein Problem. WERNER BARTENS

Werner Bartens, Arzt und Autor des Buchs „Die Tyrannei der Gene“, ist Redakteur der Badischen Zeitung