Taliban: Wer in der Bibel liest, dem droht der Tod

Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Shelter Now International“ in Afghanistan inhaftiert. Ihnen droht wegen angeblicher Missionierung die Hinrichtung. Auswärtiges Amt richtet Krisenstab ein

BERLIN taz ■ 24 Mitarbeiter einer westlichen Hilfsorganisation sitzen in Afghanistan in der Falle. Weil sie angeblich Muslime zum Übertritt zum Christentum verleiten wollten, landeten sie im Kerker. Unter den festgenommenen sind vier Deutsche, zwei US-Bürger, zwei Australier. Bedrohlich ist die Lage aber besonders für 16 Afghanen. Ihnen droht wegen „Abfall vom Islam“ die Todesstrafe.

Die Betroffenen arbeiteten für die Hilfsorganisation „Shelter Now International“. Die in Kabul herrschenden Taliban werfen ihnen vor, sie hätten Bibeln bei sich gehabt und diese auch an die afghanischen Mitarbeiter ihrer Organisation verteilt. Damit droht ihnen mindestens eine Gefängnisstrafe – wenn nicht Schlimmeres.

Das Auswärtige Amt in Berlin hat einen Krisenstab zur Befreiung der vier inhaftierten Deutschen – darunter drei Frauen – eingesetzt. Weil die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen zu den Taliban unterhält, hat sich der Geschäftsträger der Botschaft in Pakistan auf den Weg nach Kabul gemacht.

Unklar ist, ob die Inhaftierten tatsächlich missioniert haben. Die Deutschen gehören zu „Shelter Germany“, einer fast unbekannten Organisation, die sich als „Werkzeug der Liebe Gottes für alle und besonders für die Armen“ versteht. Sie ist Mitglied einer ebenfalls bisher praktisch nicht in Erscheinung getretenen „Vereinigung evangelischer Hilfswerke“. Nach Einschätzung aus Kreisen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) handelt es sich dabei um „reaktionäre Evangelikale“.

THOMAS DREGER

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