Mehr als „Black is beautiful“

Frei von Ikonisierung und Mythen: Jens Meurers Dokumentarfilm Public Enemy wirft einen nüchternen Blick auf die Geschichte der Black Panthers  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Jens Meurers Public Enemy ist kein schneller Film. Er lässt sich viel Zeit für seine Protagonisten: vier Personen, die Ende der 60er-Jahre Teil der Black Panther Party (BPP) waren und – was durchaus bemerkenswert ist – noch leben. Doch in dem Maße, wie der Film sich dem Kampf nähert, den das FBI glaubte, gegen die BPP fechten zu müssen, der unglaublichen Hetze, mit der ihr Chef J. Edgar Hoover in Worten und in Taten die Panther verfolgte, legt auch der Film an Tempo zu. Seine Interviewpartner, Bobby Seale, Kathleen Cleaver, Nile Rodgers und Jamal Joseph, bleiben dabei ganz unaufgeregt. Es sind einfach schnellere Schnittfolgen, die – ohne zu übertreiben – etwas von der Dramatik der damaligen Auseinandersetzungen spiegeln.

Melvin und Mario Van Peebles entschieden sich vor etwas mehr als sechs Jahren, ihrer Arbeit an der Geschichte der Black Panthers die Form eines Spielfilms zu geben. Und das, obwohl der Freedom of Information Act, der die Freigabe der Öffentlichkeit nicht zugänglicher Dokumente nach einer gewissen Anzahl von Jahren garantieren soll, gerade erst einen interessanten Zugriff ermöglicht hatte: auf jeden noch so schmutzigen Brief, mit dem das FBI den Zusammenhalt innerhalb der BPP und den zwischen ihr und anderen Protestbewegungen der Zeit unterhöhlen wollte. Ein Teil der fraglichen Dokumente fand in dem Film Panther aber dennoch seinen Ort, als eingestreute Beweise der grundsätzlichen Wahrheit der Geschichte aus den frühen Jahren der BPP, die in ihm erzählt und dramatisiert wurde.

„Auf Dokumente allein kannst du dich nicht stützen, auch sie sind ein Bestandteil der Geschichte der Sieger“, begründete Melvin Van Peebles damals die Entscheidung zu einem Spielfilm im Beute-Interview. Doch ebenso viel Licht, wie Panther – und das für ein breites Publikum – in die vergessene Geschichte der BPP brachte, so viel blinde Flecken hinterließ er auch.

Dazu zählt in erster Linie ein allzu gleißendes Licht: die Ikonisierung der Aktivisten. Zwar ist deren Attraktivität bis heute nicht zu verstehen ohne die Anziehungskraft ihres Style. Ein starres Gut-Böse-Schema führte jedoch in Panther zu zahlreichen Überhöhungen. Der verschwörungstheoretischen Annahme, das Einschleusen von Drogen in die Viertel der Schwarzen habe das Projekt scheitern lassen, lieferte der Film zum Beispiel reichlich Stoff; undenkbar, dass womöglich auch Fehler im Inneren der Zerschlagung der BPP durch das FBI Vorschub geleistet haben könnten.

Von solchen Mythen, mit denen die Geschichte der Verlierer beschönigt wird, ist Jens Meurers Dokumentarfilm glücklicherweise weit entfernt. Auch Meurer jedoch misstraut den Dokumenten. Er verlässt sich vor allem auf das gesprochene Wort seiner vier Interviewpartner. Damit ist von vornherein eine aktuelle Perspektive eingenommen. Und wenn etwa das BPP-Gründungsmitglied Bobby Seale oder Nile Rodgers, der längst erfolgreicher Musiker und Produzent ist, von einem besseren Damals erzählen, als die jungen Leute noch politisches Bewusstsein hatten, wird das Nostalgische daran in dem Film auch deutlich und etwas von der Eitelkeit der Sprechenden.

Alle vier „Ehemaligen“ sind heute vor allem damit beschäftigt, eine Erinnerung an die Geschichte der BPP wachzuhalten, die auch der Film der Van Peebles nicht zeigt. Sie sind sich darin nicht immer einig. Nile Rodgers zum Beispiel schwärmt von der perfekten Marketingstrategie der Panthers, die ihn mit 16 Jahren zum Beitritt bewogen hat. Er hat aus der Geschichte die Lehre gezogen, jeder könne seines Glückes Schmied sein. Kathleen Cleaver, heute Juraprofessorin, sucht dagegen bis heute nach einer radikaldemokratischen Lösung.

Einig sind sich alle, es sei daran zu erinnern, dass das Tragen von Waffen für Schwarze damals zwar aufsehenerregend, aber nicht kriminell war, nach geltendem Recht für jeden erlaubt, und allem voran: dass gegen das heute vorherrschende Bild von einem Rassismus der Panthers die Parole „Power to all the People“ nicht oft genug betont werden kann – eine Maxime, nach der die Panther auch zusammen mit den weißen rebellierenden Studenten oder der Anti-Vietnam-Bewegung Politik gemacht haben.

Bei all dem kommt die „revolutionäre Poesie“, wie Rodgers das an einer Stelle des Films nennt, jedoch nicht zu kurz. Meurer hat nicht nur interviewt und die vier bei Auftritten in der Öffentlichkeit, beim Friseurbesuch oder beim Essen mit ihren Kindern beobachtet, er hat auch immer wieder Filme und Fotos aus der frühen Zeit der Panthers eingestreut und das ganze von Nile Rodgers und seiner Band Chic mit dem passenden Soundtrack versehen lassen.

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