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SCHILYS VORBILD IST DER CHAUVINISMUS IN SPANIEN, ITALIEN, ÖSTERREICHLernen von den Reaktionären

Die europäische Sozialdemokratie hat verstanden. Sie nimmt sich Spanien, Österreich und Italien zum Vorbild. Dort regieren rechte Allianzen, deren Wahlerfolge vor allem auf einem chauvinistischen Nationalismus beruhen. So schottet die österreichische Regierung das Land gegen jegliche Zuwanderung ab – egal, ob dadurch wirtschaftliche Nachteile entstehen. Die einstige Kolonialmacht Spanien kann sich eines der niedrigsten Ausländeranteile in der EU rühmen und hat dennoch erst gestern verkündet, die Abschiebepraxis für illegale Einwanderer weiter zu verschärfen. Und die neue italienische Staatsführung hat in und nach Genua gezeigt, wen sie neben der Migration aus dem Süden ebenfalls als Fremde betrachtet.

Und wie reagiert die europäische Sozialdemokratie? Nimmt man Schily und seine Reform des Ausländerrechts in Deutschland zum Maßstab, ergibt sich keine angenehme Aussicht. Das von der Rechten bis aufs Äußerste verteidigte Privileg völkischer Abstammung bleibt Grundlage des europäischen Staatsrechts. Statt dies endlich aufzuheben, führt Schily – der Vorzeige-Innenminister einer „zeitgemäßen“ Sozialdemokratie – in Deutschland vor, wie man unter Einschluss des völkischen Konservatismus das Nationenverständnis modernisiert, ohne es substanziell zu reformieren. So sieht Schilys viel gerühmtes Zuwanderungsgesetz lediglich vor, den Zuzug gut ausgebildeter Arbeitskräfte nach Deutschland zu erleichtern. Für andere Gruppen baut das Gesetz neue Mauern – etwa indem das Zuzugsalter für Familienangehörige auf 12 Jahre gesenkt wird. Ebenso soll der Status von Personen, denen Asyl gewährt wurde, nach drei Jahren erneut überprüft werden.

Das billige Modell, im Rahmen der Globalisierung den Reichtum anderer Staaten abzuschöpfen, mag verlockend sein. Realistisch ist es nur, sofern man bereit ist, dafür immer stärker in den repressiven Bereich zu investieren. Zäune, Kameras, Sicherheitsdienste. Dies war von jeher die Option des rechten Nationalismus, der mit Vorliebe gegen die restriktive Reisepraxis des östlichen Kommunismus tobte. Heute, wo einem kein Kommunismus mehr die Grenzanlagen baut, sollen die südöstlich angrenzenden Staaten den moralisch unangenehmen und kostspieligen Zöllnerjob erledigen. Tschechen, Polen oder Ungarn werden als EU-Satelliten die Reichtumsgrenze verteidigen.

Die internationale Sozialdemokratie sprach einst von Internationalismus und einer gerechteren Welt. Und heute? Was soll das „Sozialdemokratische“ an den Vorschlägen Schilys sein? Etwa, dass er – wie in der Schweiz seit Jahrzehnten üblich – nun auch in Deutschland die Unterscheidung zwischen nützlichen und unnützen AusländerInnen gesetzlich sanktionieren will?

George W. Bush, der nicht gerade für eine tolerante Haltung bekannte US-amerikanische Präsident, verkündete zu seinem Amtsantritt eine Amnestie für die in den letzten Jahren illegal Zugewanderten. Diese zu legalisieren schien seinen Beratern aus politischer und ökonomischer Rationalität geboten. Nicht so dem alten Europäer Schily. Schätzungsweise eine Million illegal Eingewanderte leben zurzeit völlig rechtlos in Deutschland. Wie viel werden es in Spanien, Frankreich, Italien oder Großbritannien sein? Sie bilden den Rohstoff für die großen Schattenökonomien und Schwarzmärkte, bauen am neuen Berlin.

Eine generelle Ausländerfeindlichkeit, wie sie unter Kanzler Kohl geschürt wurde, zurückzuweisen mag ein Verdienst der rot-grünen Regierung unter Schröder sein. Wie Schily dies tut, liegt allerdings in erster Linie im ökonomischen Interesse konservativer Politik. Das werden auch Bayerns Ministerpräsident Stoiber oder Schüssels Regierung in Wien begreifen.

Gut möglich, dass das künftige deutsche Zuwanderungsgesetz auch in anderen EU-Staaten große Zustimmung findet. An der Realität geht es völlig vorbei. „Der Flüchtling“, schreibt der italienische Staatstheoretiker Giorgio Agamben, „jene scheinbar marginale Gestalt, muss als zentrale Figur unserer politischen Geschichte erachtet werden.“ Bevor es in Europa wieder Konzentrationslager gebe, müsse man den Mut finden, „sowohl das Abstammungsprinzip selbst als auch die Dreieinigkeit Staat-Nation-Territorium, die auf diesem Prinzip gründet, in Frage zu stellen“. ANDREAS FANIZADEH

Mitarbeiter von ID Verlag und Subtropen in Berlin, Korrespondent der Wochenzeitung in Zürich

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