Wieder Krieg in Somalia

Die Übergangsregierung unter Präsident Hassan Salat ist gegenüber den Warlords in die Defensive geraten. Afrikanisch-arabische Machtkämpfe verhindern eine Einigung

BERLIN taz ■ Ist Somalia arabisch oder afrikanisch? Diese Frage liegt an der Wurzel des neuen Krieges in dem seit zehn Jahren zwischen Warlords zerrissenen Land. Ein Jahr nach ihrer weltweit begrüßten Gründung steht die Übergangsregierung von Präsident Abdelkassim Hassan Salat vor einem Scherbenhaufen.

Präsident Salats Machtbasis liegt in der arabischen Welt. Seine Administration, die im August 2000 nach einer Versöhnungskonferenz zwischen somalischen Politikern in Dschibuti entstand und offiziell „Nationale Übergangsregierung“ (TNG)heißt, wird von Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten finanziert, von Libyen und Ägypten bewaffnet und beraten. In Somalia stützt sich Präsident Salat auf die Geschäftswelt der Hauptstadt Mogadischu, einige zentralsomalische Clans sowie islamistische Bewegungen.

Salats Gegner werden von Äthiopien und Kenia unterstützt, die wegen der eigenen unzufriedenen somalischen Minderheiten ein starkes Somalia fürchten, sowie den internen somalischen Abspaltungen, die sich in den 90er-Jahren konstituiert hatten: Die Republik Somaliland im Nordwesten sowie Puntland im Nordosten. Es handelt sich zumeist um Warlords – ein geeintes, friedliches Somalia widerspricht sämtlichen Interessen der mächtigen Kriegsfürsten. In Äthiopien gründeten diese Warlords im März den „Somalischen Rat für Widerstand und Wiederaufbau“ (SRRC). Immer wieder wirft Salats TNG-Regierung Äthiopien vor, SRRC-Warlords aufzurüsten oder sogar mit der eigenen Armee die somalische Grenze überschritten zu haben.

Im Juni eskalierte der Konflikt. Als Initialzündung diente der Versuch der Regierung Salat, deren Macht bislang kaum über die Hauptstadt Mogadischu hinausgegangen war, in den Süden Somalias vorzudringen. Am 18. Juni setzte sie in der südsomalischen Hafenstadt Kismaju eine Verwaltung ein – Vorposten zur Übernahme der fruchtbaren Täler der Flüsse Juba und Shebelle. Daraufhin meldete sich ein Warlord zurück, der eigentlich schon in Vergessenheit geraten war: Mohammed Hirsi, genannt „General Morgan“, Schwiegersohn des 1991 gestürzten Diktators Siad Barre und 1993–99 Herr über Kismaju. Morgan gehört zum Oppositionsbündnis SRRC und warnte, dieser Schritt bedeute neues Blutvergießen.

General Morgans Warnung war ernst zu nehmen, denn 1992 hatte er von Kismaju aus schon einmal fast Mogadischu erobert. Relevant ist heute aber seine Zugehörigkeit zum Majerteen-Clan, der die Mehrheit der Bevölkerung von Puntland stellt. Würde Morgan Kismaju erobern, könnte er zusammen mit der Regierung von Puntland Mogadischu in die Zange nehmen.

Die Regierung Salat in Mogadischu reagierte auf Morgans Warnung, indem sie in Puntland einen Putsch organisierte. Nachdem das dortige Parlament Ende Juni die Amtszeit des Puntland-Präsidenten Abdullahi Yussuf um drei Jahre verlängert hatte, wandte sich ein Ältestenrat gegen den Präsidenten und ernannte am 25. Juli den von Mogadischu unterstützten Obersten Richter Yussuf Haji Nur zum Staatschef. Die beiden kämpfen nun um die Kontrolle der Puntland-Hauptstadt Bosasso.

Zugleich ging Morgan im Süden in die Offensive. Am 6. August eroberten seine Truppen Kismaju in einer Blitzoperation. Lokale regierungstreue Milizen, die in der „Juba Valley Alliance“ zusammengeschlossen sind, erklärten am nächsten Tag zwar, sie hätten die Hafenstadt zurückerobert. Dann relativierten sie diese Aussage jedoch, sprachen von schweren Straßenkämpfen und meldeten schließlich triumphal die Eroberung von General Morgans Satellitentelefon.

Die Regierung Salat muss sich nun Waffen besorgen, um sich zu halten. Seit Sonntag weilt Premierminister Ali Khalif Galayr in den Arabischen Emiraten. Geld und Waffen gibt es dort in Hülle und Fülle. DOMINIC JOHNSON

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