„Langsam fehlt der Mut“

Naturschutzbund-Präsident Jochen Flasbarth will die rot-grüne Ökosteuer kräftig umkrempeln. Sie soll ab 2003 Einkommens- und Unternehmenssteuern spürbar senken. Klage über Opposition

Interview: CONSTANTIN VOGT

taz: Herr Flasbarth, der Naturschutzbund verzeichnet steigende Mitgliederzahlen und ein deutliches Plus in den Finanzen – geht es aufwärts mit der Umweltbewegung?

Jochen Flasbarth: Die Bevölkerung hat sich nicht von den Umwelt- und Naturschutzthemen abgewandt. Die Menschen möchten eine Lobby-Organisation, wie wir sie darstellen, vermehrt unterstützen – das freut mich sehr.

Bei Rot-Grün steht aber doch die Umweltpolitik nicht an vorderster Stelle?

Bei aller Kritik: Die Regierung hat den Reformstau in der Umweltpolitik aufgehoben. Das war allerdings kein Kunststück, am Ende der Regierung Kohl gab es einen völligen Stillstand. Viele Dinge werden aber nicht konsequent genug angefasst. Ich habe den Eindruck, dass so langsam der Mut fehlt.

Ist noch ein politischer Wille zu Reformen erkennbar?

Beispielsweise beim Naturschutzgesetz: ja. Ob er am Ende ausreicht und wie es sich gestaltet, wenn die einzelnen Lobby-Gruppen aus ihren Löchern kommen, das müssen wir abwarten.

Und wo muss Rot-Grün nachbessern?

Eigentlich in allen Bereichen. Um einen ganz wichtigen zu nennen: bei der Ökosteuer. An sich ist die Steuer eine Erfolgsgeschichte. Natürlich hätten wir uns das von Anfang an mutiger vorgestellt, aber auch aus unserer Sicht lässt sich nicht bestreiten, dass Erfolge eingetreten sind: Der Benzinverbrauch ist zurückgegangen, die Steuer schafft neue Impulse auf dem Arbeitsmarkt. Tragisch ist, dass die Regierung diesen Erfolg gar nicht wahrhaben möchte und ihn durch eine Kakophonie von verschiedenen Meinungen nach unten redet.

Bundeskanzler Schröder will nun mal die Ökosteuer nach 2003 nicht erhöhen.

Die Steuersätze müssen so ausfallen, dass sie lenken können. Die Grünen sollten die Steuer nicht in Richtung völliger Unspürbarkeit entwickeln. Außerdem müssen einige Fehlentwicklungen korrigiert werden. Beispielsweise die pauschale Befreiung der Industrie. Dies muss die Regierung in gezielte Regelungen umwandeln: etwa in eine Minderung von Steuersätzen nur für Unternehmen, die ein Energie-Audit durchgeführt haben. Außerdem ist die Finanzierung des Renten- und Sozialversicherungssystems aus Ökosteuer-Einnahmen zu korrigieren. Durch die Ökosteuer werden der Reformbedarf und die Reformdebatte im Sozialversicherungsbereich verdeckt. Die Ökosteuer zieht sämtliche negativen Diskussionsaspekte auf sich. Das macht politisch keinen Sinn. Daher schlägt der Nabu vor, die Ökosteuer-Einnahmen nach 2003 unmittelbar zur Senkung der Unternehmens- und Einkommenssteuer zu verwenden.

Das sehen die Grünen aber nicht so. Sie wollen die Einnahmen künftig nur für Umweltprojekte ausgeben.

Das ist Humbug. Damit lässt sich die Akzeptanz der Steuer sicher nicht steigern.

Im kommenden Jahr sind Bundestagswahlen. Erwarten Sie neue umweltpolitische Impulse?

Unsere Sorge ist, dass die jetzigen Oppositionsparteien die Umweltpolitik weiterhin völlig ausblenden. Ernsthafte Opposition aus dem Parlament hat es bisher ja nicht gegeben. Diese Rolle haben inzwischen die Verbände übernommen

Ist das nicht eine Chance?

Nicht unbedingt. Wir sind dadurch in eine missliche Lage geraten. Wir spielen neben der Oppositionsrolle auch die Rolle des Verbündeten. Das ist in einer Organisation schwer zu vermitteln. Für uns wäre es ganz gut, wenn wieder ein echter Wettbewerb um Umweltpolitik im Parlament stattfände.