Der Traum vom betreuten Arbeitslosen

Gabriel fordert Fusion von Arbeitsvermittlung und Sozialämtern – in Schlüchtern wird dies bereits praktiziert

BERLIN taz ■ Die unerfreulichen Arbeitslosenzahlen regen weiterhin die Fantasie etlicher Spitzenpolitiker an. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) etwa forderte nun, dass man so bald wie möglich Arbeitsvermittlungs- und Sozialhilfebehörden zusammenlegen solle.

Eine gute Idee, fand auch das Arbeitsministerium, allerdings schon vor geraumer Zeit: Im April dieses Jahres bereits stellte Arbeitsminister Walter Riester das Projekt „MoZArT“ vor, das „Modellvorhaben zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe“. 29 Kommunen erproben darin die Kooperation der Behörden.

Das Ziel: die Menschen, die zwischen beiden Ämtern hin- und hergeschoben werden, besser zu betreuen. Rund 280.000 Menschen in Deutschland beziehen Leistungen von beiden Ämtern und werden von ihnen zum Teil mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert. Eine arbeitslose allein erziehende Mutter etwa kann eine Stelle, die ihr das Arbeitsamt vermittelte, nicht antreten, wenn sie keine Kinderbetreuung nachweisen konnte. Dafür ist das Sozialamt zuständig. Dort aber heißt es: Wenn sie nicht nachweisen könne, dass sie eine Stelle habe, könne ihr die Kinderbetreuung nicht bewilligt werden.

Alle Arbeitsämter kennen auch die Fälle, in denen Sozialhilfeempfänger in eine beliebige „Maßnahme“ gesteckt werden, damit sie anschließend wieder Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und die Sozialamtskasse entlasten. Ob die Maßnahme den Klienten qualifiziert oder nicht, ist gleichgültig. Auch die momentan so vehement geforderten Sperrzeiten für Menschen, die Qualifizierungsmaßnahmen abbrechen oder „selbst verschuldet“ kündigen, führen nur dazu, dass diese anschließend beim Sozialamt auftauchen. Manchmal mit der interessanten Konsequenz, so erzählt ein Sozialamtsmitarbeiter, dass sie mehr Geld erhalten als vorher. Denn nicht selten liegt der Sozialhilfesatz höher als ihr Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung.

Während die meisten dieser Modelle vor allem den Datenaustausch und die Kooperation beider Ämter fördern, hat die kleine hessische Stadt Schlüchtern bei Hanau die Ämter gleich ganz zusammengelegt. Wer hier aufs Amt geht, landet nun in einer „Arbeitsmarkt- und Leistungsagentur“: Ein „Fallmanager“ erstellt ein Profil des Arbeitslosen und der bekommt dann einen Mix aus Vermittlungs- und Sozialleistungen, die auf ihn zugeschnitten sind und nicht darauf, das Amt so gut wie möglich zu entlasten. Etwa 1,2 Millionen Mark hat die Stadt dafür investiert, vor allem wurde die Zahl der Mitarbeiter um ein Drittel erhöht. Doch erwartet sie durch effektivere Vermittlung langfristig 8 Millionen Mark einzusparen. Allerdings ist Schlüchtern klein und gut ausgestattet: 14 Betreuer kümmern sich um 700 Arbeitslose, in so manchem Großstadtarbeitsamt hat ein Betreuer zehn mal so viele Kunden.

HEIDE OESTREICH