Hoffnung nur für Fremde

In Kabul inhaftierten westlichen Entwicklungshelfern droht Gefängnisstrafe, den afghanischen Kollegen dagegen der Tod

von YASSIN MUSHARBASH

Drei, zehn oder dreißig Tage Haft und die Ausweisung aus Afghanistan. Ein solches Urteil müssen die acht ausländischen Mitarbeiter der Organisation Shelter Now nach Angaben der afghanischen Nachrichtenagentur AIP erwarten, die in Kabul im Gefängnis sitzen.

Damit hätten sie noch Glück, denn eigentlich bestrafen die Taliban Menschen, die eine andere Religion propagieren, mit dem Tode. Nur Ausländer werden nach einem Taliban-Dekret vom Juni weniger hart bestraft. Anders sieht es für die ebenfalls festgenommenen Afghanen aus, denen wegen „Abfalls vom Islam“ die Todesstrafe droht. Auch die Deutschen, Australier und US-Bürger sind keineswegs in Sicherheit. Denn die Taliban sind unberechenbar.

Nach Auskunft des afghanischen Tugendministeriums sind die Inhaftierten „gut verpflegt und bei guter Gesundheit“. Alle 24 Festgesetzten arbeiten für die Hilfsorganisation Shelter Now International. Shelter Now ist eine von vielen internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in Afghanistan humanitäre Hilfe leisten. Sobeir Zediqian von der Afghanistan-Hilfe in Hamburg schätzt, das zurzeit etwa 150 Organisationen in dem Land arbeiten. Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker sagt: „Afghanistan ist eines der Länder mit den größten Flüchtlings- und Hungerproblemen überhaupt“. Delius warnt davor, dass als Folge der Verhaftungen vom Wochenende nun die gesamte Hungerhilfe für Afghanistan zusammenbrechen könnte, weil Hilfswerke überlegten, ihre Mitarbeiter abzuziehen.

Afghanistan ist dringend auf internationale Unterstützung angewiesen. Doch die Beziehungen zwischen dem Taliban-Regime, anderen Staaten und den NGOs sind sehr schlecht. Die Taliban unterwerfen die ausländischen Helfer immer strengeren Sittenvorschriften. Deshalb drohten die Vereinten Nationen bereits damit, ihre Hilfsprogramme in Höhe von 260 Millionen Dollar einzufrieren. Das Geld dafür stammt aus 16 Staaten, die sich zur „Afghanistan-Unterstützergruppe“ zusammengeschlossen haben. Zu ihnen zählt auch die Bundesrepublik. Dieses Jahr fließen 30 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt. Dabei handelt es sich jedoch um Hungerhilfe und humanitäre Maßnahmen. Entwicklungshilfe mag dem geächteten Taliban-Regime kaum ein Staat gewähren.

Shelter Now, eine Hilfsorganisation mit christlichem Hintergund, ist erst seit vergangenem Jahr in Afghanistan aktiv. Die Organisation hat jedoch zuvor in Pakistan im Auftrag der staatlichen deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) Lehmhütten für afghanische Flüchtlinge gebaut. Die GTZ erklärte, die Kooperation sei „zu vollster Zufriedenheit“ verlaufen.

Die deutsche Sektion von Shelter Now teilte gestern mit, der Vorwurf der Missionierung gegen die festgenommenen Mitarbeiter sei ungerechtfertigt. Die Taliban wiesen dagegen darauf hin, die Verhafteten seien zudem von der Religionspolizei vorgewarnt worden.

Unklar ist die Verbindung zwischen Shelter Now International mit seiner deutschen Sektion und einer gleichnamigen Organisation im US-Bundesstaat Wisconsin. Dies könnte wichtig sein. Denn laut CNN ist Shelter Now aus Wisconsin sehr wohl durch Missionstätigkeit aufgefallen. Afghanistan-Experte Zediqian weiß zu berichten, dass vor allem US-Hilfsorganisationen in den Flüchtlinglagern in Pakistan massiv missionieren. Dagegen sprach die deutsche Sektion lediglich von gleichen Wurzeln der beiden Organisationen.