Der Music Man von beiden Küsten

Masta Ace hat ein paar der besten HipHop-Jahre mitgeprägt – jetzt ist er wieder da und heute Abend live im Icon

Wenn einer sagt, dass er für HipHop lebt, ist ihm nicht zu trauen – wahrscheinlich lebt er von HipHop. Sollte es aber tatsächlich stimmen, muss das Schlimmste befürchtet werden. Masta Ace, der als Legende gilt, weil er Anfang der Neunzigerjahre drei Meisterwerke veröffentlichte, nie groß rauskam und dann ein paar Jahre in der Versenkung verschwand, nimmt das Leben ernst, und seine Musik handelt davon – nicht umgekehrt.

Begonnen hat er als DJ, aber weil seine Crew nur aus DJs bestand, wechselte er ans Mikro. Damals ging es um den Spaß an der Sache – eine Karriere gab es erst, als er ab 1988 mit Marley Marl zusammenarbeitete, seines Zeichens Haus-Produzent der Juice Crew um Biz Markie, Big Daddy Kane und Roxanne Shante. Nach einigen Gastspielen und der Juice-Crew-Hymne „The Symphony“ erschien 1990 das Debütalbum „Take a Look Around“. Dessen Protagonist ist ein junger Ghetto-Bewohner, der mit den Widersprüchen seiner Realität ringt und sich neu erfindet: als „Music Man“, als junger Weiser und street- smarter Denker, als Super-MC sowieso. Das grandiose „I Got Ta“ ist der programmatische Merkzettel eines Self-Made-Man: „I got ta teach the youth that they capable / I got ta show the ghetto is escapable.“ Es ging um das Einfordern eines Stückes vom amerikanischen Kuchen und die Lösungen hießen hier: Bildung, Förderung von individuellem Talent, afroamerikanische Einheit, soziales Gewissen.

Seine Crew nannte er programmatisch „Action Posse“. Das knüpfte weniger an die Radikalität von Malcolm X oder Public Enemy an, als an den klassischen schwarzen Nationalismus eines W.E.B. DuBois und den sozialen Kommentar eines Curtis Mayfield. Doch obwohl er damals auch einige Underground-Hits verbuchen konnte, verweigerte seine Plattenfirma Cold Chillin’ fortan die Unterstützung und Masta Ace wechselte zum kalifornischen Label Delicious Vinyl.

Was dann kam, war ebenso brillant wie überraschend: Das Album „Slaughtahouse“ – jetzt als Masta Ace Incorporated – war eine nahezu komplette Abkehr vom New Yorker Sound und klang wie eine klaustrophobische Version von Cypress Hill. Eingebettet in den schweren Westcoast-Funk war ausgerechnet eine Persiflage der damit assoziierten Gangsta-Klischees. Wie schlau und schlitzohrig das war, demonstrierte die Maxi „Born To Roll“: Mit einem unwiderstehlichen Lowrider-Beat und dem tiefsten Bass außerhalb von Miami rollt der Masta durch die Straßen, zeigt sowohl den Wannabe-Gangstas als auch den rassistischen Cops den Mittelfinger und löst im Vorbeifahren gleich noch den künstlichen Ostküsten-Westküsten-Gegensatz in Luft auf – als der rhetorische Krieg sich gerade hochschaukelte.

Nach seinem dritten Album „Sittin’ on Chrome“ von 1995, der sonnigen Version von „Slaughtahouse“, verlor Masta Ace die Lust auf das Geschäft und ein paar Jahre lang war nicht viel zu hören von ihm. Bis in den vergangenen Monaten auf verschiedenen Indie-Labels eine Reihe von Maxis erschienen. Es macht wieder Spaß, sagt er. Wenn alles gut geht, erscheint nächste Woche das neue Album „Disposable Arts“. KARSTEN KREDEL