Ein Flair fast wie in der Toscana

■ Radfahren im Regen. Doch der „verschwiegene Mönchsteich“ entschädigt für vieles

Es regnet. Der in schlafloser Nacht so heiß ersehnte Tag beginnt scheußlich dunkel und trüb. Aber so sah es ja gestern auch schon aus, und so sieht es morgen bestimmt wieder aus. Es wird kurz geheult. Aus kurz könnte auch lang werden, wäre da nicht Ulf, der Mann, der schon Alpe d'Huez bezwungen hat und auch ein Jan Ullrich hätte werden können, wenn er nicht rauchen würde wie ein Schlot. Er fährt heute mit und beschwört das Abenteuer „Radfahren im Regen“.

Ganz großartig wird es werden, klitschnass und zähneklappernd werden wir unter irgendeinem Baum im Matsch stehend einen Regenguss nach dem anderen verfluchen. Die aufgeweichten Finger werden am Lenkerband quietschen.

Wir fahren ohne Karte. Sind sowieso viel zu teuer geworden, meint Ulf. Der muss es wissen. Er kennt die ADFC-Karten „Rund um irgendeine Stadt“ von damals, als sie noch unter zwölf Mark kosteten und das „Rund um“ noch mächtig Kilometer meinte, während man mit einer Karte heute gerade mal von Hamburg nach Bad Oldesloe radeln kann. Die Tourbeschreibung Nummer sieben „In die Schweiz vor den Toren Hamburgs“, die wir aus Sönke Jacobsens Buch „Die schönsten Radtouren rund um Hamburg“ klauen, muss reichen.

Die Beschreibung fängt super an: mit der U-Bahn fahren. 49 Minuten mit der U1 nach Großhansdorf. Wir müssen erst wieder aussteigen, wenn so exotisch klingende Haltestationen wie Kiekut, Schmalenbeck und Buchenkamp hinter uns liegen.

Toll, in Großhansdorf regnet es im Moment nicht. Wie Sönke empfiehlt, fahren wir die Hauptverkehrsstraße links, bis wir in Hoisdorf landen. Achtern Diek heißt die Straße. Aber es kommt noch besser: Als nächstes dürfen wir in den Aalfang abbiegen. Wie hat Sönke diesen Weg nur gefunden? Zwei Fuß, vielleicht drei ist er breit, links und rechts gähnende Kühe und in der Ferne die Hoisdorfer Teiche. Ökologisch wertvoll sollen die sein. Auf der Trasse der früheren Südstormarnschen Eisenbahn flippt Ulf fast aus: aalglatt asphaltiert, wie eine Rennstrecke.

Und dann immer im Kreis. Sönke ist nicht schuld, seine Wegbeschreibung ist super, sagt Ulf. Und der hat schon viele ausprobiert. Es war der aalglatt asphaltierte Radweg, den wir vor lauter Begeisterung nicht verlassen konnten. Irgendwann stehen wir mitten im Sachsenwald. Wir haben die hölzerne Brücke, die Sönke beschreibt, gefunden. Sie führt direkt ans Lütjenseeufer. Da gibt's eine Badestelle. Aber jetzt regnet es plötzlich. Kein Problem, sagt Ulf. Der See ist gut erschlossen: „Forsthaus Seebergen“, der „Seehof“ und irgendwo das Gasthaus „Zum Ku-ckucksberg“. Ein kühles Pils gibt es überall.

Sönke rät allerdings zum Weiterradeln. An den „verschwiegenen Mönchsteich“, wie er ihn nennt, weit ab von den Jaguar fahrenden Touristenströmen. Recht hat er. Denn auch dort gibt es eine Blockhütte namens „Mönchsquelle“, mit Biergarten und allem, was dazugehört. Sieht gut aus. Nur leider ist heute Mittwoch. Ruhetag.

Ulf flucht, findet dann aber den See wunderschön, mit den kleinen Badebuchten hinterm Schilf, den Enten, Schwänen und was sonst noch dazugehört. So soll es sein. Ulf schlürft lauwarmen Kaffee im Nieselregen, kneift die Augen zu, schielt und murmelt etwas von „fast wie in der Toscana“.

Gesine Kulcke