Mit Rüschen und Pailletten

taz-Serie schrille Läden (Teil 8): „Wenn ein Kleid von sieben anderen armen Bräuten getragen wird, bringt das Glück“, so ein türkisches Sprichwort. „Gül Boutique“ verkauft lieber neue Hochzeitskleider

von KIRSTEN KÜPPERS

Viele Berliner Türkinnen lassen sich ihre Hochzeitskleider in der Türkei schneidern. Die Brautmoden-Geschäfte Anatoliens sind billiger als die hier ansässigen Boutiquen. Wenn das Kleid dann zur Feier in Berlin allerdings nicht richtig sitzt, ist das Klagen der Frauen groß, sagt Kahire Tatlici, die Chefin von „Brautmoden Gül“ in Moabit. Besser wäre es gewesen, die Bräute hätten gleich ein Qualitätsprodukt gekauft. Ein champagnerfarbenes, besticktes Hochzeitskleid kostet bei Brautmoden Gül zwar 6.000 Mark. Aber dafür ist die Schleppe der amerikanischen Importware dann auch lang und abnehmbar. Das Geschäft mit den fünf großen, zur Beusselstraße gewandten Schaufensterscheiben ist der Marktführer in der Gegend.

Türkische Hochzeiten sind eine kostspielige Angelegenheit. 700 Gäste wollen eingeladen und bewirtet werden, erzählt Kahire Tatlici. Ein Hochzeitssaal oder das Estrel-Hotel muss für die Feier anmietet werden, genauso mehrere Mercedes-Limousinen, sowie Bauchtänzerinnen und eine Kapelle.

Obendrein bekommt das Brautpaar eine komplette neue Wohnungseinrichtung bezahlt. Die Investition in ein schönes Kleid fällt also in der Gesamtrechnung kaum ins Gewicht.

Am Hochzeitstag bestimmt das Paar die spätere Rollenverteilung. Wer bei der Unterzeichnung des Ehevertrages den anderen zuerst leicht mit dem Fuß tritt, wird Chef im Haushalt. Später ziehen alle Gäste an den Brautleuten vorbei und heften mit Stecknadeln Geldscheine an deren Kleidung.

Vor der Hochzeit gibt es zudem noch den Henna-Abend, den Frauen und Männer traditionell getrennt verbringen. Es werden traurige Lieder gesungen, Brautmutter und Braut weinen wegen der Trennung. Die Braut legt sich eine rote Decke über den Kopf und die Schwiegermutter schenkt ihr Goldschmuck. Natürlich braucht man auch dafür die richtige Ausgehware. Kahire Tatlici hat schlichte und pompöse Modelle im Angebot. Sie hängen an zwei langen Kleiderstangen in dem pastellfarbenen Geschäftsraum. Es riecht nach Tee und süßen Zuckerkirschen. Das macht ein wenig schläfrig. Müde Kunden können jedoch zwischen den Anproben auf einem zierlichen Mozartsofa ausruhen, sich in einem der vielen Spiegel betrachten und fragen, ob die ganze Heiratsentscheidung nicht vielleicht doch Wahnsinn gewesen ist.

Türkische Hochzeitsgesellschaften sind im Allgemeinen eleganter angezogen als deutsche Festgäste, sagt Kahire Tatlici. Das liegt am größeren Modebewusstsein. Türkische Mädchen wollen weite, bauschige Kleider, meistens mit Pailletten oder Rüschen verziert.

Niemals würde es Türken einfallen, dieselbe Garderobe ein zweites Mal zu einer Feierlichkeit zu tragen. Zwar besagt ein türkisches Sprichwort: „Wenn ein Kleid von sieben anderen armen Bräuten getragen wird, bringt das Glück“. Kahire Tatlici handelt indes nicht mit Gebrauchtwaren.

Gül Boutique Beusselstraße 19/ 20, 10553 Berlin