Naziouting mit Folgen

Wegen eines kritischen Artikels über die rechte Szene Nordhessens wurde der Computer eines Journalisten beschlagnahmt. Ein als rechtsextrem geouteter Geschäftsmann hatte Anzeige erstattet

von PETER NOWAK

Zivilcourage und demokratisches Engagement gegen rechte Gewalt werden gerne beschworen. Doch genau das bescherte jetzt dem hessischen SPD-Bildungspolitiker und Rechtsextremismusexperten Manfred Büttner Ärger mit der Polizei. Nach der Anzeige eines Rechtsextremen ließ die Staatsanwaltschaft kürzlich die Computer von Büttner und seiner Frau beschlagnahmen.

Der Publizist hatte im vergangenen Jahr unter Pseudonym einen Hintergrundartikel über die rechte Szene Nordhessens in der Kasseler Obdachlosenzeitung Tagessatz veröffentlicht. Darin berichtete er auch über die jahrelangen Aktivitäten des Geschäftsmanns Werner Kahl in der rechten Szene. Der Geoutete erstattete Anzeige wegen Beleidigung. Daraufhin erhob die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Kasseler Amtsgericht, was jetzt – mit fast einjähriger Verspätung – die Polizei auf den Plan rief.

Schon seit Jahren beschäftigt sich Büttner publizistisch mit der rechten Szene Nordhessens. Deswegen ist sein Name und seine Adresse bereits auf der Schwarzen Liste einer Anti-Antifa-Gruppierung aufgetaucht. Besonderen Zorn im rechten Lager hatte sich Büttner auch deshalb zugezogen, weil er im Rahmen des Neonazi-Aussteigerprogramms „Exit“ einen Jugendlichen betreut, der die rechte Szene verlassen hat. Büttner empfindet die Computerbeschlagnahme als einen Angriff auf die Pressefreiheit. Außerdem sieht er die Maßnahme selbst durch den Durchsuchungsbefehl nicht gedeckt. Dort heißt es ausdrücklich: „Soweit sich bei den Beweismitteln ein Computer befindet, reicht auch die Anfertigung einer Kopie des Festplatte aus. Der Computer kann danach wieder herausgegeben werden.“

Sollte das hessische Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft Schule machen, könnte eine kritische Berichterstattung über die rechte Szene stark erschwert werden, befürchten im Bereich Rechtsextremismus aktive Journalisten und Publizisten. Schon zum Selbstschutz ist es dort üblich, Beiträge unter Pseudonym zu schreiben.

In der rechten Presse gibt es bereits seit Jahren immer wieder Bemühungen, kritische Journalisten zu enttarnen. Wenn jetzt die Anzeige eines Rechten reicht, um an die Namen von Autoren antifaschistischer Beiträge zu gelangen, werden sich manche Journalisten genau überlegen, ob sie bereit sind, das Risiko zu tragen. Zumal sie Konsequenzen am eigenen Leib zu befürchten haben.

Das zeigt sich auch im Fall des von Büttner Geouteten Werner Kahl: Er stand schon Anfang der 80er-Jahre wegen Beteiligung an Bombenanschlägen auf Autos türkischer Bürger vor Gericht. Zur Zeit ermittelt die Kasseler Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Körperverletzung. Er soll nach einer Großdemonstration gegen einen neonazistischen Aufmarsch im vergangenen Oktober vor seinem „Outdoor-Freizeit“-Laden in Kassel einen Nazi-Gegner geschlagen und verletzt haben. Kahl bestreitet das nicht. Er sei angegriffen worden, weshalb er „diesem Arschloch eine auf die Birne gehauen“ habe; so der Geschäftsmann wörtlich.