Scharping gibt sich zögerlich

Verteidigungsminister Scharping sieht derzeit keine Basis für einen Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr. Union macht Zustimmung zum Einsatz weiterhin von Finanzausstattung abhängig

von NICOLE MASCHLER

Wegen der anhaltenden Kämpfe in Mazedonien sieht Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) gegenwärtig keine Grundlage für einen Einsatz von Nato-Truppen. Er zeigte sich gestern in Berlin aber überzeugt, dass es im Bundestag eine Mehrheit für den Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr zur Entwaffnung der UÇK-Kräfte geben werde. Mit der Zustimmung der Union kann Scharping dabei allerdings weiterhin nicht rechnen. Deren Verteidigungsexperte Paul Breuer (CDU) knüpfte ein Ja der Union gestern erneut an einen Kurswechsel bei der finanziellen Ausstattung der Armee.

Und um die steht es unverändert schlecht. Das musste Scharping auch bei seiner diesjährigen Sommerreise durch dreißig Standorte wieder erfahren, die ihn in den vergangenen vier Wochen quer durch die Republik führte. Auch die Heeres- und Luftwaffenkommandeure, die gestern auf Bitten des Verteidigungsministers ihre Erfahrungen mit der Reform schilderten, nahmen kein Blatt vor den Mund.

Die Materiallage lasse manchen Wunsch offen, räumte Generalmajor Jan Oerding ein, Kommandeur der 10. Panzerdivision in Sigmaringen. „Es zwackt hier und da.“ Auch die Balkan-Einsätze drückten auf die Stimmung. Die Einsatzdauer werde bei den Soldaten sehr ernst diskutiert, so Oerding. Denn es sei eben noch keine Normalität für die meisten Bundesbürger und auch nicht für den Soldaten, über Monate von der Heimat getrennt zu sein. Aber: „Eine erfolgversprechende, dauerhafte und bereits heute realisierbare Alternative sehe ich nicht.“

Ganz andere Nachwuchssorgen hat Generalleutnant Peter Vogler, Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos. Im Transportbereich wanderten viele Soldaten zur Privatwirtschaft ab, die besser zahle. „Die Lufthansa ist hinter demselben Personenkreis her wie wir.“

Trotz des düsteren Bildes, das seine Offiziere zeichneten, gab sich Scharping gestern optimistisch. Noch vor einem Jahr sei die Reform nur in Konturen erkennbar gewesen. Das habe verständliche Ängste ausgelöst. „Ich stelle fest, dass wir heute deutlich weiter sind“, so Scharping mit Blick auf das soeben vom Kabinett beschlossene Attraktivitätsprogramm. Dieses sieht etwa eine Abkehr vom starren Laufbahnrecht für Soldaten und eine bessere Entlohnung vor.

Mit den alten Strukturen wäre die Bundeswehr nicht überlebensfähig gewesen, rechtfertigte Scharping gestern erneut die Reform. Fragen ließ der Minister nach seinem Kurzstatement nicht zu. Entscheidend sei, dass ein zentraler Eckpfeiler nicht zerstört werde: das Vertrauen der Bundeswehrangehörigen. Entscheidungen müssten schnell und ohne Abstriche getroffen werden. „Das sage ich auch mit Blick auf die parlamentarische Beratung.“ Eine Warnung in Richtung Parteifreunde. Die Bundeswehr könne nicht noch weiter verkleinert werden, so Scharping. „Wer weniger fordert, muss sagen, welche internationalen Verpflichtungen er kündigen will.“ Eine Berufsarmee verursache Mehrkosten von mindestens 3,5 Milliarden Mark. Die Vize-Parteivorsitzende Renate Schmidt und der saarländische SPD-Chef Heiko Maas hatten diese Woche gefordert, die Wehrpflicht abzuschaffen, die Grünen langfristig eine Reduzierung auf sechs Monate vorgeschlagen.

Dem CDU-Verteidigungsexperten Breuer reichte Scharpings Beteuerung, die Untergrenze sei erreicht, nicht. Der Minister sage beim Thema Neuinvestitionen in die Armee die Unwahrheit. Breuer forderte für die Modernisierung der Bundeswehr eine sofortige Anschubfinanzierung von zwei Milliarden Mark. Der Verteidigungshaushalt müsse in den nächsten fünf Jahren um jährlich 6 Prozent steigen. Danach müsse der Etat bei 11 Prozent des Bundeshaushalts festgeschrieben werden.

Anfang Juli hatte sich Scharping mit Finanzminister Hans Eichel (SPD) geeinigt, die Obergrenze des Verteidigungshaushaltes bis 2006 konstant bei 46,2 Milliarden Mark zu halten.Vom Kanzler und der rot-grünen Koalition werde die Bundeswehr, so Breuers Fazit, mit einer „ignoranten und kaltschnäuzigen Arroganz“ behandelt.