Beginn einer ruhigen Woche

Hertha BSC kann doch noch Tore schießen und gewinnen. Beim SC Freiburg gleich mit 3:1. Hinten rettete der Pfosten, vorn brillierte Sebastian Deisler. Vielleicht dank einer wundersamen Plastiktüte

aus Freiburg SVEN RECKER

Ein Spitzenbild sei das, ja wirklich: „Einfach unglaublich.“ Der Kameramann war sichtbar begeistert. Nein, so etwas, das hat nun wirklich nicht jeder im Kasten. Sebastian Deisler, ja wirklich, der Deisler, steigt in Freiburg aus dem Mannschaftsbus der Berliner Hertha. Und was hat er in der Hand? Eine Plastiktüte von Lidl. „Spitzenbild“, na klar, was sonst. Was er wohl bei der Supermarktkette eingekauft hat? Zwei Tore zum Discountpreis in Freiburg oder doch bloß Zutaten für sein Leibgericht Cannelloni? Fragen, die die Welt bewegen. Klar, dass die Tüte, als Deisler nach getaner Arbeit wieder in den Bus stieg, erneut der Mittelpunkt des Geschehens war.

Verraten, was in der Tüte ist, hat der Berliner Mittelfeldspieler nicht. Dafür aber, „dass Freiburg das Spiel gemacht hat, wir aber einfach effektiver waren“. Eine Behauptung, die sich mit Zahlen belegen lässt. 63 Prozent aller Ballkontakte gingen auf das Konto der Freiburger, 55 Prozent aller Zweikämpfe gewannen die Gastgeber. Nur die Tore, die machten erst mal die Berliner. Zwei an diesem Nachmittag im Freiburger Dreisamstadion bereits in Halbzeit eins. Zwei Tore, zweimal Deisler und eine Frage: Gibt es doch Tore bei Lidl? Die Schnäppchen, der Freiburger Trainer Volker Finke beschrieb sie so: „Zwei saublöde Fehler.“ Erst foulte Boubacar Diarra Alex Alves im Sechzehner, Deisler ging zum Elfmeterpunkt, schoss nach rechts und traf (11. Min.). Dann (42. Min.) grätschte Tobias Willi am Ball vorbei, Deisler, erneut frei vor Richard Golz, schoss diesmal ins linke Eck und traf.

So einfach war das, und für Freiburgs Trainer Volker Finke und seine Mannschaft war es auf einmal „schwierig, mit der Halbzeitsituation umzugehen“. Denn Freiburg spielte gut. „Exzellent“, sagte Hertha-Manager Dieter Hoeneß gar, hätten beide Mannschaften in der ersten Halbzeit agiert. Aber: Freiburg hatte Chancen, Hertha machte aus Chancen Tore. Dass es nicht anders war, hatten die Berliner einmal „dem besten Freund“ von Gabor Kiraly zu verdanken. Als solchen hatte der Keeper den Pfosten in der Hertha-Zeitung bezeichnet. Der Pfosten revanchierte sich und parierte den Schuss von Zeyer (15. Min), der nach einem Missverständnis zwischen Kiraly und Beinlich unverhofft an den Ball gekommen war.

Ansonsten ging die Devise der Berliner, die Marko Rehmer so beschrieb, auf: „Die Räume eng machen und versuchen, über die Außen zu Torchancen kommen.“ Auch, weil Freiburg trotz Überzahl ab der 51. Minute, Gelb-Rot für Josip Simunic nach wiederholtem Foul an Alexander Iashvili, „nicht mehr sonderlich viel eingefallen ist“ (Dieter Hoeneß). Dafür aber allen Herthanern nach dem 3:1 Sieg fast Identisches: Deisler war, erst recht nach seiner Vorarbeit zum 3:0 durch Miachel Preetz (69. Min.), „überglücklich, weil die Last von uns gefallen ist“. Stefan Beinlich froh, „dass der Druck nach den ersten beiden Spielen weg ist“, und Kapitän Preetz nach den sieglosen Partien gegen St. Pauli und Dortmund einfach zufrieden, „dass wir vor dem Spiel gegen Cottbus eine sehr unruhige Woche verhindert haben“.

Die kommende der Freiburger wird wie immer sein: beschaulich. Man wird das Spiel, in dem Iashvili in der 88. Minute noch der Ehrentreffer gelang, in aller Ruhe per Video analysieren. Schauen, ob es wirklich „vielleicht die internationale Erfahrung war, die letztendlich den Ausschlag für Hertha gab“, wie Volker Finke mutmaßte, sich auf das Spiel in Wolfsburg vorbereiten und so wie Sebastian Kehl nicht allzu lange traurig darüber sein, „dass wir uns gegenüber der Niederlage in Nürnberg deutlich gesteigert, aber leider trotzdem verloren haben“.

Ganz sicher aber wird man beim SC Freiburg ein bisschen froh darüber sein, dass Menschen, die Plastiktüten von selbst ernannten Meisterschaftsaspiranten filmen, wieder woanders sind. Gut, dass selbst die nicht überall sind. Als der Mannschaftsbus der Herthaner das Stadiontor passierte, konnte man erneut Sebastian Deisler beobachten. Diesmal aß der Mann mit der Lidl-Tüte Döner Kebap. „Spitzenmegabild“, würde der Kameramann dazu garantiert sagen. Ein kleiner Trost, dass der Mann von Sat.1 da wahrscheinlich bereits auf dem Weg in den Schnittraum war.