delfinplage in fanore
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von RALF SOTSCHECK

Wie wird man einen ungebetenen Delfin los? Mein Freund Liam Casey grübelt darüber nach, wie man solch ein unhandliches Tier unauffällig beseitigt. Da der Delfin seine Zelte vor Liams Haus im westirischen Fanore aufgeschlagen hat, wimmelt es nur so von Touristen. Morgens um sechs kommen die ersten Taucher und machen einen Höllenlärm, sodass an Schlafen nicht mehr zu denken ist. Tagsüber herrscht ein Verkehr wie auf der O’Connell Street, Dublins Hauptstraße. Manchmal kommt es sogar zu langen Staus, was in diesem Teil Irlands bisher höchstens Schafe ausgelöst hatten. Die Delfinfreunde parken gern auch vor Liams Tor, sodass ihm die Zufahrt versperrt ist. Das „Dolphin Spotting“ ist erst mit Einbruch der Dunkelheit vorbei.

Nur manchmal, wenn der Delfin einen Ausflug in die Nachbarbucht macht, hat Liam seine Ruhe, weil die Touristenkarawane dann ebenfalls weiterzieht. Meistens sind Delfin und Delfingucker aber genau vor Liams Haus. Neulich marschierte eine Touristengruppe Delfingucker sogar ins Haus und verlangte, die Toilette benutzen zu dürfen.

Zunächst war es den Anwohnern gelungen, den Delfin geheim zu halten. Er lebt nämlich schon seit Herbst vorigen Jahres in Fanore, aber das wussten nur die Einheimischen. Doch nicht alle hielten dicht. Liams Nachbar, der eine kleine Pension betreibt, erkannte in dem Delfin ein tourismustaugliches Objekt und benannte seinen Laden um: „Dolphin Watch Lodge.“ Darüber hinaus schaltet er täglich Annoncen in der landesweiten Presse, sodass er seitdem stets ausgebucht ist.

Die Zimmer nach vorne heraus kosten etwas mehr, weil man dort vom Bett aus das Treiben des Meeressäugers beobachten kann. Und der Delfin bietet etwas fürs Geld. Kaum geht jemand baden, kommt das Tier an und verlangt, dass man sich an seiner Rückenflosse festhält, um ein bisschen spazieren zu schwimmen. Alles lässt sich der Delfin freilich nicht gefallen. Dem „kleinen Vampir“, einem einheimischen Jugendlichen, der so genannt wird, weil er genauso aussieht wie die Kinderbuchfigur, hat er die Schwanzflosse um die Ohren gehauen, als der versuchte, das Tier mit einem Lasso einzufangen, um sich auf Wasserskiern durch die Bucht ziehen zu lassen. Doch meist ist der Delfin kooperationsbereit. Möglicherweise hat das Tier Mitleid mit den Menschen, weil sie so langsame Schwimmer sind. Delfine gelten ja als klug.

Harry Rowohlt ist anderer Meinung: „Sie sind dümmer, als man denkt“, sagte er neulich bei einem Besuch. „Wir sind in Griechenland mit einem Fischerboot aufs Meer gefahren. Die Delfinherde wollte uns von ihren Fischgründen weglocken. Wir sind in die entgegengesetzte Richtung gefahren und haben fette Beute gemacht.“

Darauf zu setzen, dass der Delfin eines Tages von alleine verschwindet, ist hoffnungslos. In Dingle im Südwesten gibt es einen anderen Delfin. Funghi, so heißt er, kurbelt die dortige Tourismusindustrie bereits seit 17 Jahren an. Liam überlegt nun, ob es eine schrille Pfeife gibt, deren Ton für Delfine unerträglich ist. Eine Harpune ist wahrscheinlich sicherer.