yeah! yeah! yeah!
: Wandernde Enthusiasten (5): das Paket

Nach dem Putzdiktat

Ich liebe Überraschungen. Und dicke Postpakete können mich am meisten begeistern. Die haben was Besonderes. Da macht sich jemand die Mühe, kauft mir etwas, packt es sorgsam ein und dann schleppt er oder sie es auch noch zur Post; was für ein Aufwand! Nur für mich!

Leider kriege ich fast nie Pakete, vor allem seit Moritz da ist. Spätestens mit Kind wird man in den Augen der anderen erwachsen und braucht keine Überraschungen mehr. Von den Eltern kommen dicke Pakete, voll wunderschöner Klamotten und tollem Spielzeug – für den geliebten Enkel. Für die Tochter ist dann noch ein Anstandsgeschenk drinnen – eine Hautcreme oder ein Gesundheitsbuch –„was Kleines für die Mama, damit sie nicht leer ausgeht“.

Auch in der taz bekommen immer nur die anderen die Pakete. Jeden Tag haufenweise Bücher oder CDs! (Hallo liebe Buchverleger, ich lese sehr gerne und schnell, zwei Seiten pro Minute, das ist sehr teuer auf Dauer, könntet Ihr nicht mal . . .? Unten steht mein Name).

Aber heute, endlich, hatte mein Warten ein Ende. Ich habe ein Paket bekommen! Stolz zeige ich es den KollegInnen, Herzklopfen, nasse Hände: der neue Kracht oder Kaminers „Militärmusik“? Die neue Manu Chao oder Eryka Badu? Endlich steige ich in den Olymp der Wichtigen auf, jemand möchte, dass ich seine Neuerscheinung rezensiere! Danke!

Gierig öffne ich die Verpackung, und da liegt es: in leuchtenden Farben, formvollendet, die neueste Home-Dekoration für Leute mit dem ganz exquisiten Geschmack; und ich bin die Erste, die die neue Kreation von Lothar Böhm, dem Edeldesigner, in den Händen hält!

Es ist, ich kann mein Glück nicht fassen, die neu designte Spülmittelflasche von Frosch! Nun ja. Jetzt bitten mich die KollegInnen, ihre Tische und Computer zu putzen! Das hat man davon. Und dazu die zwei Fotos, auf denen ein total glückliches, also ein vollkommen enthusiasmiertes – wie es an dieser Stelle wohl richtig ist zu bemerken – Model in schrillen Klamotten mit ihrem Wischmopp auf dem schaumbedeckten Küchenboden tanzt! So werde ich jetzt die Kollegen in der Kulturredaktion ins Schleudern bringen. Wir tanzen den Frosch, Frosch, Frosch.

Kriegen den eigentlich nur Frauen, Sie Frog-Designer, Sie angemaßter? Wo das neue Design genauso trostlos aussieht wie das alte! Mit seiner „hohen Spülkraft mit Fettlösern aus der Zitronenschale“ und dem blöd grinsenden Breitmaulfrosch – dem auch kein genauso breitmaulfroschgrinsendes Julia-Roberts-Model weiterhilft.

Aber interessant ist das schon, was Designern alles so einfällt zu einer Mischung aus anionischen Tensiden, Zitronenöl und Konservierungsmitteln. Ich werde also „Das Putzmittel aus philosophischer Sicht“ unseren LeserInnen gleich mal näher bringen. Hier eine kleine Kostprobe aus „Das Lustprinzip beim Putzen“:

„Während sich die Großmütter noch einem Putzdiktat unterwarfen, emanzipierte sich in den 80er Jahren die folgende Generation und idealisierte das unreglementierte Putzen. Das rigide Reinheits-Gebot wich zugunsten eines Öko-Gebots. Heute jedoch findet allgemein eine Abkehr von der Öko-Moral statt. Es wird versucht, dem Putz-Akt eine fröhliche Seite abzugewinnen. Das Lustprinzip beim Putzen steht im Vordergrund.“

Gut relaunschd, Herr Böhm! Da freut sich die froschgrüne Lesergemeinde. Unreglementiertes Putzen! Das ist diskurstechnisch sensationell. Hat Foucault eigentlich jemals über die disziplinierende Macht des Putzdiktats geschrieben? Und jetzt also Lustprinzip statt Ökomoral. Die Sorge um sich. Endlich auch beim Bodenwischen. Das werde ich meiner polnischen Putzfrau erzählen! Geld bekommt sie ab jetzt aber keines mehr. Schließlich zahle ich nicht für Lust. Sie heißt übrigens Sabina Krzewzki, falls mal eine Beschwerde kommt.

ELKE ECKERT