Rückstau in Paris belastet die Luft

Die Grünen in der Stadtregierung sperren im Sommer die Ost-West-Achse für den Verkehr – zu Lasten der Pendler

PARIS taz ■ „Lustig“ sollte es werden, „festlich“ und „symbolisch“. So hatte es sich die rot-rosa-grüne Pariser Stadtregierung vorgestellt, als sie Mitte Juli die zentrale Ost-West-Achse durch die französische Hauptstadt für einen Monat für den Autoverkehr sperrte. RadfahrerInnen, InlineskaterInnen und FußgängerInnen sollten die vier Kilometer lange „Voie Georges Pompidou“ längs der Seine für sich erobern. Die AutofahrerInnen, von denen sonst täglich 70.000 über die Schnellstraße brettern, sollten lernen, dass in Paris eine „neue Kultur“ begonnen hat. Und die Luftqualität in Paris, das an seinem Smog zu ersticken droht, sollte besser werden.

Doch daraus wurde nichts. Angesichts einer im Hochsommer nie dagewesenen Stau-Intensität in den umliegenden Innenstadtstraßen kochte der Volkszorn hoch. In der zuvor harmonischen Zusammenarbeit zwischen dem sozialdemokratischen Bürgermeister Bertrand Delanoë und den Grünen gab es erste laute Misstöne.

Konservative StadtpolitikerInnen, die in ihrer Ära mit der behutsamen Einrichtung von Fahrradwegen und sonntäglichen Straßensperrungen begonnen haben, kritisierten genießerisch die „grüne Spektakelpolitik“. Die Zahl der Autos in der Innenstadt blieb unverändert hoch. Die erwarteten NutzerInnen der neuen Freizeitstrecke an der Seine blieben aus. Die zu Hause gebliebenen PariserInnen zogen es vor, ihre Freizeit in den städtischen Parks zur verbringen. Fatalerweise verbesserte sich auch die Luftqualität nicht.

Schlimmer: Das Institut „Airparif“, das täglich die Pariser Luftzusammensetzung analysiert und gegebenenfalls Smog-Alarm schlägt, erkannte in seiner Messstation am Quai des Célestins, der parallel zur Voie Pompidou verläuft und während der vergangen Wochen vom notorischen Rückstau betroffen war, dass dort die Schadstoffbelastung in den letzten Wochen höher war als an anderen Pariser Verkehrsknotenpunkten.

Zwar gehen jedes Jahr im Hochsommer, wenn sich die Hauptstadt leert, die Schwefelmonoxid- und Kohlenmonoxid-Werte leicht zurück. Aber am Quai des Célestins gab es dieses Mal ein „Defizit von 10 bis 15 Prozent beim Schadstoffrückgang im Verhältnis zum vergangenen Jahr“, erklärt die Sprecherin von „Airparif“, Martine Boissavy. Auch für das gesamte Innenstadtquartier rund um die gesperrte Schnellstraße konnte „Airparif“ keinen Rückgang der Luftverschmutzung messen.

In Paris, wo knapp 1,8 Millionen Menschen leben, finden täglich mehr als 7 Millionen Autofahrten statt. Das ist beinahe eine Verdreifachung des Autoverkehrs seit den 70er-Jahren, als Staatspräsident Georges Pompidou die Schnellstraße, die heute seinen Namen trägt, quer durch die Innenstadt schlagen ließ. Viele PariserInnen und TouristInnen kritisieren die Asphaltschneise längs der Seine, die einzigartige Aussichten auf Notre-Dame und die Conciergerie eröffnet. Für Millionen von Banlieue-BewohnerInnen hingegen ist die „Voie Pompidou“ die einzige Möglichkeit, zur Arbeit und wieder zurück zu kommen.

Zwar hat Paris ein dichtes Netz öffentlicher Verkehrsmittel. Doch jenseits der Stadtautobahn „Périphérique“, wo über 8 Millionen BewohnerInnen der Hauptstadtregion leben, sieht das anders aus. Die Netze der S-Bahnen und der – meist privatisierten und nur zu Stoßzeiten verkehrenden – Busse sind dort nicht annähernd flächendeckend.

Jene, die in den vergangenen Wochen fluchend im Stau in der Pariser Innenstadt standen, waren zu einem großen Teil „Banlieusards“. Die rot-rosa-grüne Stadtregierung von Paris hatte ihnen keinerlei Alternative für ihre Wege in die Innenstadt geboten. Im Gegenteil: Wie in jedem Sommer reduzierten die Verkehrsbetriebe ihren Bus-, Métro- und S-Bahn-Takt radikal.

Kurz vor dem für Mittwoch programmierten Ende der Straßensperrung ist selbst im rot-rosa-grün regierten Rathaus die Bilanz der Operation durchwachsen. Zwar hat dort der sozialdemokratische Bürgermeister Delanoë längst die Devise ausgegeben: „Die Pariser haben uns mandatiert, um gegen die Luftverschmutzung zu kämpfen“. Doch inzwischen gibt selbst sein Sprecher zu, dass es „Fehler“ gegeben habe.

So sieht es auch der für Verkehrspolitik zuständige grüne Ratsherr, Denis Baupin, der es geschafft hat, dank der Sperrung des Verkehrsnadelöhrs im Pariser Zentrum wochenlang in den Schlagzeilen zu bleiben. Allerdings macht er dafür vor allem eine „nicht ausreichende Kommunikation“ verantwortlich. Im nächsten Sommer, so kündigt Baupin bereits ultimativ an, „werden wir die Voie Pompidou wieder sperren“. DOROTHEA HAHN