: Ein General spielt Demokratie
Pakistans Militärherrscher Musharraf will die Bevölkerung wählen lassen. Doch Parteien sind dabei nicht zugelassen. Der General nennt das „Basisdemokratie“
DELHI taz ■ Pakistans Präsidentengeneral Pervez Musharraf gibt sich als Demokrat. In seiner gestrigen Ansprache zum Nationalfeiertag erklärte er, mit diesem Tag habe „die zweite Phase der Demokratisierung“ begonnen. Sie solle mit den Wahlen für die Provinzparlamente und die Nationalversammlung vom 1. bis 11. Oktober 2002 abgeschlossen werden. Damit werde Pakistan endlich eine „echte Demokratie“ erhalten. Für die Nation werde „eine neue Ära beginnen, in welcher das Volk an der Basis die Macht ausüben wird. Wir werden Pakistan seinen ihm zustehenden Platz in der Gemeinschaft der Nationen zurückgeben“, so Musharraf.
Mit der Terminierung auf den Oktober 2002 will Musharraf die Weisung des Obersten Gerichts erfüllen, wonach bis zum dritten Jahrestag seiner Machtübernahme am 12. Oktober 1999 die demokratischen Institutionen wieder eingesetzt sein müssen. Der Schlüssel für Musharaffs Form der Basisdemokratie liegt offensichtlich in der Eliminierung der politischen Parteien, welche in den Augen der Generäle die ihnen gegebenen Mandate für ihre eigenen Zwecke usurpiert haben. Bei den in diesem Jahr durchgeführten Lokal- und Bezirkswahlen waren die großen politischen Parteien ausgeschlossen. Kandidaten wurden nur als Repräsentanten verschiedener Berufsgruppen zugelassen, mit speziellen Sitzen für Frauen und religiöse Minderheiten. Allerdings wurde den Militärs bald klar, dass die Parteien dennoch viele ihrer Gefolgsleute in diese Gruppen eingeschleust hatten. Sie führten daher den Posten des „Zila Nazim“ ein, den Chef-Administrator für einen Bezirk. Dieser handelt zwar im Namen der gewählten Lokalversammlungen, ist in Wahrheit aber die Stimme des Provinzgouverneurs, der ihn einsetzt. Der Nazim setzt damit die militärische Kontrolle auf lokaler Ebene fort. Die Armee übt eine zusätzliche Kontrolle mit Hilfe der „Army Monitoring Teams“ aus. Sie übernehmen weit reichende Polizeifunktionen und unterstehen keiner zivilen Autorität. Die Macht der Polizei, welche dem Nazim unterstellt wird, soll durch eine Änderung des Polizeigesetzes von 1861 zudem mehr Macht erhalten. Schließlich gibt es noch die regionalen Antikorruptionsbüros, welche jeden Politiker, der im Verdacht der Bestechlichkeit steht, aus dem Verkehr ziehen können.
Um zu verhindern, dass die Wähler dieser Form von Demokratie durch Wahlboykott eine Absage erteilen, soll im neuen Wahlgesetz der Abstimmungszwang eingeführt werden. Mit all diesen Vorkehrungen hofft das Regime sicherzustellen, dass „die Richtigen“ in die Parlamente gewählt werden und dort Regierungen einsetzen, die den Militärs genehm sind, zugleich aber formal die demokratischen Spielregeln erfüllen. Um zu verhindern, dass sich der Ministerpräsident allzu viele Freiheiten nimmt, wird Präsident Musharraf zweifellos den vor wenigen Jahren abgeschafften Verfassungszusatz Nr. 8 wieder einführen. Er erlaubt es dem Präsidenten, die Regierung abzusetzen. Musharraf wird auch nachgesagt, er spiele mit dem Gedanken, sich einer Direktwahl zu unterziehen, nachdem er im Juni ohne viel demokratischen Aufhebens den Präsidentenmantel über die Uniform gestreift hatte.
BERNARD IMHASLY
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