Die Kunden bleiben lieber offline

Das Einkaufen im Netz macht den Deutschen noch immer nicht so richtig Spaß. Das Vertrauen fehlt, die Umsätze im Online-Einzelhandel stagnieren, auch die alteingesessenen Versandhäuser machen im Internet nur ein Nebengeschäft

von VERENA DAUERER

Jeder zweite Nordamerikaner hat schon mal im Netz eingekauft. In Deutschland dagegen herrscht Flaute, und es scheint, als entwickle sich das WWW zu Rudis virtueller Reste-Rampe mit regem Tauschhandel wie im Kleingartenverein. Magere 8 Milliarden Mark Umsatz wird es im Jahr 2001 geben, schätzt Herbert Lechner von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Damit macht das Onlinegeschäft einen Bruchteil vom Gesamtumsatz des Einzelhandels von einer Billion aus. Nur ein Drittel der ungefähr 24 Millionen Surfer, hauptsächlich zwischen zwanzig und vierzig Jahre, shoppen auch im Netz. Immerhin hat die Zahl der Einkaufswilligen seit 1997 zugenommen, hatten damals noch ein Viertel der Internetuser vor, online zu bestellen, sind es heute gut die Hälfte, belegt eine Umfrage der Berater Fittkau&Maaß. Außer den noch fehlenden Internetzugängen erschwert ein Gefühl der Unsicherheit das Einkaufen. Digitale Signaturen sind riskant, es fehlen verbindliche Richtlinien der Verschlüsselung, für die jeder E-Shop sein eigenes Gütesiegel vorzeigt. Deshalb zahlen drei Viertel der Online-Shopper lieber per Rechnung statt per Kreditkarte. „Der Kunde scheut sich noch, die eigenen Daten übers Netz zu schicken“, sagt Sandra Lades vom Nürnberger Marktforscher Jupiter MMXI.

Frust statt Lust

Die Angst ist nicht unbegründet. Neben Onlineauktionen, bei denen die Ware nie ankommt, und Einwahlschwindel bei Sexseiten gehört auch Kreditkartenbetrug auf die Liste unsauberer Netzgeschäfte, die der Verbraucherschutzverband führt. Obendrein geben Onlinehändler zu 70 Prozent unzulässigerweise Kundendaten weiter. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sorgte man sich letztes Jahr und gründete die Initiative „Partnerschaft Sichere Internet-Wirtschaft“ mit geplanter Presse- und Anzeigenkampagne.

Wenn das Bestellen nur ebenso einfach wäre: Fehlerteufel in der Seitenprogrammierung vereiteln bei stolzen 28 Prozent der User den Einkauf; das geben von der Boston Consulting Group Befragte an. Fast ein Drittel lässt frustriert die Finger ganz vom Internetshoppen. Weiterhin werden Lieferschwierigkeiten der Anbieter angegeben. Dabei sind laut einer Studie von Skopos Kundendienst und Pünktlichkeit die wichtigsten Kriterien, die ein E-Shop erfüllen muss. Der Erstkauf ist als Schlüsselerlebnis entscheidend als möglicher Beginn einer innigen Beziehung des Kunden zur Marke. Dagegen halten sich die deutschen Markenhersteller noch mit ihrem E-Commerce-Auftritt zurück und investieren nur lächerliche 2 Prozent ihres Werbeetats in Onlinemedien.

Kein Wunder also, dass „E-Shopping nicht das Erlebnisshopping ersetzen kann“, wie Britta Oertel vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin meint. Sie setzt auf mobiles Internet. Das Einkaufen scheitere aber auch dort an den fehlenden Micropayments: Systemen, die Pfennigbeträge von Kundenkonten abbuchen, gibt es seit langem. Ihr Einsatz scheitert am Widerstand der Banken, die kein Interess an diesem Kleingeschäft zeigen. Start-ups können diese Dienstleistung nicht selbst organisieren, die grade für sie wichtig wäre: Sie fördert – Rabattmarken vergleichbar – die Treue des Kunden. Das große Sterben der dot.coms hat die Einzelhändler deshalb am härtesten getroffen. Sie hatten „keine Möglichkeit, zu schrumpfen“, sagt Britta Oertel. Nur etwa 12.000 insgesamt haben die Krise überlebt, oft nur als Töchter der wenigen Großen der Branche. „Die New Economy geht in den traditionellen Bereich über. Im Augenblick gehen immer noch Start-ups Pleite, da die Werbegelder ausbleiben“, sagt Oertel.

Computer und Autos

Aber was lässt sich am besten übers Netz unter die Leute bringen? Laut einer Erhebung der GfK führen natürlich Bücher und CDs die Verkaufscharts an, gefolgt von PC-Spielen und diffus benannten „Produkten des täglichen Bedarfs“. Die werden in den Top Ten der Seitenverweildauer beschrieben, erstellt durch Jupiter MMXI: Der Buchvertrieb Amazon hat die meisten Gäste, mehr Zeit aber verbringen die Surfer auf den Seiten der Drogerieketten Schlecker und Rossmann, weitaus länger als bei Otto und Neckermann. Das bedeutet aber nicht, dass dort überhaupt oder mehr eingekauft wurde. Dicht folgen darauf Computer. Auch Reisebuchungen, Telekommunikationsgeräte und Gebrauchtwagen lassen sich wunderbar online verscherbeln.

Das nächste Auto im Netz zu suchen erscheint auch den von der GfK befragten Haltern reizvoll: Warum nicht, solange sie das Gewünschte real beim Vetragshändler abholen? Das Web ist ein hoffnungsvoller Absatzmarkt für Gebrauchtwagen direkt vom Hersteller oder von Leasingfirmen. In den nächsten vier Jahren werden nach der Prognose von Datamonitor knapp 80.000 Autos übers WWW vertrieben werden.

Den größten Heimvorteil haben die alteingesessenen Versandhäuser wie Otto, Quelle oder der kleine Buch- und CD-Versand Zweitausendeins. Ihr Katalogversand wird durch den Onlinemarkt nur erweitert. „Wir hatten immer mit Kunden zu tun, die wir nicht sehen, ob sie nun über Katalog oder über den Bildschirm bestellen“, sagt Marc Offen vom Marktgiganten Otto. Dazu Herr Lechner von der GfK: „Der Versandhandel hat die logistische Kompetenz, neben Amazon den Markt zu gestalten. Die wenigen kleinen dot.coms fallen nicht weiter auf.“

Trotzdem werden auch bei Otto nicht mehr als 4 bis 5 Prozent online umgesetzt; das bedeutet eine kümmerliche Milliarde im Vergleich zu 46 Milliarden Jahresumsatz, der mit dem gedruckten Katalog erwirtschaftet wird. Vorsichtig schätzt Marc Offen, dass sich das E-Shopping in den nächsten zehn Jahren verdoppeln könnte.

Bis dahin versucht Otto, mit virtuellen Anziehpuppen für den potenziellen Kunden das reale Anprobieren zu ersetzen. Genau daran ist aber schon das Modeportal boo.com gescheitert.

Ebenso wenig bewährt hat sich die Bestellmöglichkeit von Lebensmitteln. Fehlende Nachfrage und logistische Probleme ließen die amerikanischen Ketten HomeRuns und WebVan im Frühjahr ihre Dienste einstellen. Trotzdem plant die deutsche Lebensmittelkette Plus ab Oktober ihr E-Commerce-Portal, allerdings nur für Schnäppchen aus dem Non-Food-Bereich

Ähnlich erfolglos ist es, über das WWW einen Kredit fürs Haus zu beantragen. Wie das Gründerportal Ecin bescheinigt, sind Onlinetransaktionen nicht sinnvoll, wo der direkte Kontakt zum Kunden für die Vertrauenswürdigkeit entscheidend ist.

vdauerer@t-online.de