Kampf um New York

Am 11. September entscheiden die BürgerInnen des Big Apple über ihren künftigen Bürgermeister. Zwei Republikaner und vier Demokraten wollen das Erbe von „Mr. Zero Tolerance“ Giuliani antreten

aus New York DAVID SCHRAVEN

In New York tobt der Wahlkampf um die Nachfolge von Bürgermeister Rudolph Giuliani. Angetreten sind vier Demokraten und zwei Republikaner. Am 11. September werden die Parteimitglieder in getrennten Vorwahlen entscheiden, wen sie für die Wahl am 6. November zu ihrem Spitzenkandidaten machen.

Das Erbe des Republikaners Giuliani ist schwer. Die Verbrechensrate in der Acht-Millionen-Metropole ist so niedrig wie noch nie – dank der „Zero Tolerance“-Politik Giulianis, wie viele New Yorker glauben. Die Zahl der Morde sank während Giulianis Amtszeit von 1.946 auf weniger als 700 pro Jahr. Die Stadt prosperiert. Im Haushaltsjahr 2001 wird ein Überschuss von 2,7 Milliarden Dollar erwartet. Giuliani hat eine Steuersenkung von 494 Millionen Dollar durchgesetzt.

Bei den Republikanern scheint die Nachfolgefrage geregelt. Gegen den Medienmilliardär Michael „Mike“ Bloomberg tritt in den Vorwahlen allein der aussichtslose Hermann Badillo an. Der erste lateinamerikanische Vorsitzende der City University of New York hat die Unterstützung von lediglich jedem siebten Republikaner, ergab eine Umfrage der New York Times.

Bei den in New York besonders liberalen Demokraten ist es enger. In der jüngsten Umfrage der Quinnipiac University liegt der amtierende Anwalt für öffentliche Belange Mark Green mit 32 Prozent vor seinen Konkurrenten Alan Hevesi, Fernando Ferrer und Peter Valone, die auf jeweils knapp unter 20 Prozent kommen. Doch Greens Vorsprung steht auf der Kippe. Die politischen Führer der schwarzen und lateinamerikanischen Gemeinden haben sich noch nicht entschieden, wen sie unterstützen wollen. Der aus Puerto Rico stammende Ferrer will die Minderheiten für sich gewinnen. Einflussreiche Männer haben ihm Unterstützung signalisiert. Allen voran der angesehene 71-jährige Stadtabgeordnete Charles Rangel. „Ich werde die schwarzen und lateinamerikanischen Führer hinter Mr. Ferrer versammeln. Es ist mein politisches Erbe, dabei zu helfen, erstmals einen Latino zum Bürgermeister zu machen“, erklärte er. Zu Beginn der Woche erfuhren Rangels Bemühungen jedoch einen Dämpfer. Der erste und bisher einzige schwarze Bürgermeister New Yorks, David Dinkins, hat sich hinter Green gestellt. Und der schwarze Chef der Brooklyner Demokraten, Clarence Norman, hat sich für Hevesi entschieden.

Inhaltlich unterscheiden sich die Programme der Kandidaten kaum. Alle wollen mehr Geld für öffentliche Schulen ausgeben und für Mangelfächer Lehrer aus Europa anwerben. Alle wollen Giulianis Kurs bei der Verbrechensbekämpfung beibehalten. Alle wollen das öffentliche Gesundheitswesen ausbauen. Und alle wollen den Verkehr in Manhattan zurückdrängen und die Parks schöner machen. Im Detail wird gestritten. Soll man Bademeister aus Brasilien für den Atlantikstrand anwerben, wie Bloomberg fordert?

Die Wahlen werden durch den Bekanntheitsfaktor entschieden. Um den wird mit allen Mitteln gestritten. Allen voran versucht Medientycoon Bloomberg die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen. Der Inhaber der Bloomberg-Finanzagentur und eines angeschlossenen gleichnamigen Wirtschaftsnachrichtendienstes hat nach offiziellen Angaben bis heute mehr als 16 Millionen Dollar im Vorwahlkampf ausgegeben. Fernsehspots haben ihn über 5,7 Millionen Dollar gekostet. Eine unbekannte Summe hat er in erfahrene Wahlkämpfer aus Washington investiert. „Ich werde so viel Geld ausgeben, wie ich für nötig halte“, sagt er. Auf öffentliche Mittel will er ganz verzichten. Bloombergs Vermögen wird auf über vier Milliarden Dollar geschätzt.

Seine demokratischen Konkurrenten müssen kürzer treten. Gemeinsam haben sie im Vorwahlkampf bis jetzt rund sieben Millionen Dollar ausgegeben. Dazu kommen jetzt noch mal etwa 20 Millionen Dollar aus der Stadtkasse. Das Geld setzen die Demokraten vorwiegend gegeneinander ein. Die Kampagnenbüros von Green und Hevesi haben Leute eingestellt, die nach der schmutzigen Wäsche der Konkurenten suchen sollen. In der vergangenen Woche flogen mehrere Mitarbeiter beider Büros im Stadtarchiv auf, als sie in alten Unterlagen nach anrüchigen Geldgebern der politischen Gegner stöberten. Vor kurzem tauchte ein Video in mehreren New Yorker Redaktionen auf, das Green im Gespräch mit muslimischen Führern zeigt. „Israel hat Fehler gemacht“, sagt er darauf. Green distanzierte sich umgehend von dem Video.

Vor den zentralen U-Bahn-Stationen Manhattans stehen samstags Wahlhelfer aller vier Demokraten. Sie halten Plakate hoch, drücken Passanten Flugblätter in die Hand und versuchen sich gegenseitig mit Schlachtrufen zu übertönen. „Unterstützt Hevesi!“ „Green ist unser Mann!“ „Latinos sind für Ferrer!“ Um Bloomberg kümmern sie sich nicht. Der Milliardär hat sich ein hartes Stück Arbeit vorgenommen. „Anders kann ich nicht gewinnen“, sagt er. Er will jeden Stadtteil in den fünf Bezirken Manhattan, Staten Island, Queens, Brooklyn und Bronxs besuchen. In den bevölkerungsreichen Stadtteilen leben vor allem Einwanderer und die starken schwarzen und lateinamerikanischen Minderheiten. Und die sind traditionell prodemokratisch. „Die Leute müssen Bloomberg lieben lernen“, findet Bloomberg. Noch liegt er in den Umfragen weit hinter jedem möglichen demokratischen Konkurrenten. Aber er holt auf. Mit jedem Auftritt.