Barmbeker Stilleben

■ Dritter Teil der Serie „Schöner Sommer“: Für jeden Hauttyp die richtige Farbe

Es funktioniert genau wie die „Vorher-Nachher-Show“ auf tm3 - eine Sendung übrigens, die so schlecht ist, dass man nie öffentlich zugeben sollte, sie schon einmal gesehen zu haben: Die Kandidatin kommt, völlig unpassend gekleidet, in falschen Farben und Rocklängen, und geht wieder, nicht unbedingt schöner, aber passend geschminkt und mit scheinbar längeren Beinen.

Renate Wagner-Müller öffnet ihre Wohnungstür in Barmbek. Ihr Pullover ist fliederfarben und mit Schnörkelmustern übersät. Sie nennt sich trotzdem Farb- und Stilberaterin. Sie ist eine von vieren in Hamburg. 350 Mark kostet eine Sitzung in ihrem mit Unmengen von Zinntellern, schweren Eichenmöbeln und haufenweise Porzellanfiguren geschmückten Wohnzimmer. Welche Farbe zu welchem Hauttyp passt, hat sie vor 16 Jahren während eines achttägigen Seminars erklärt bekommen.

Hauttypen gibt es folgende: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Jetzt haben wir so etwas wie Sommer. Was nicht heißt, dass nur Sommertypen auf die Straße dürfen. Wohl aber dürfen nicht alle einfach so mit den Farben der Saison losrennen. „Wir sind Natur. Einem Schneeglöckchen fällt doch auch nicht ein, jetzt zu blühen“, so der fachkundige Vergleich. Welche Farbe getragen werden darf, bestimme die Farbe der Unterhaut, genauer gesagt der Lederhaut. Die sei entweder bläulich oder gelblich.

Ob die Lederhaut gelb oder blau ist, kann Renate Wagner-Müller nicht einfach so sehen. Deshalb setzt sie ihre farbverwirrten Kunden vor einen ungetönten Spiegel mit Leuchtstoffröhre. Jeden Pickel und jede Falte sieht man da. Doch weglaufen geht nicht. An den Anblick muss man sich für die nächs-ten drei Stunden gewöhnen. Solange braucht die Farb- und Stilberaterin mindestens. 32 verschieden gefärbte Tücher – in Azurblau, Kaminrot, Rosarot und so weiter – hält sie den vor dem Spiegel Pickel zählenden Kunden neben das Gesicht. Bis sie das Passende gefunden hat: Frühling- und Herbsttypen tragen warm, Sommer und Winter kalt. „Wenn die Farbe nicht stimmt, wirkt das Gesicht krank und blass. So einfach ist das.“

Etwas pudriger und bläulicher seien die Sommer-, kräftig dagegen die Wintertöne. Manchmal aber auch pastellig. Benennen kann Renate Wagner-Müller die Farben nicht genau. „Jede Firma denkt sich einen anderen Namen aus.“ Den Durchblick hätten auch die Lagerfelds und Laurents verloren. Sie würden einfach schamlos kalte und warme Töne vermischen, behauptet sie. Und unsereins stopft blindlings den Kleiderschrank damit voll.

Glück für den, der ein Signal von außen bekommt. Wie der Jäger, der neulich zu ihr kam: Ewig lief er in seiner dunkelgrünen Arbeitskluft rum und bekam beim Tanztee keine Frau ab: Dank Renate Wagner-Müller ist der Jäger jetzt ein attraktiver Jäger. Statt Dunkel- trägt er Gelbgrün, verjagt wahrscheinlich die Hirsche, aber die Frauen nicht mehr. Gesine Kulcke