„Die moderne Frau kocht ohne Sau“

taz-Serie Schrille Läden (Teil 9): Auch Hardcore-Tierrechtler müssen essen und etwas anziehen. Im einzigen Vegan-Laden der Stadt gibt es deshalb vegetarische Schuhe, Kerzen garantiert ohne Bienenausbeutung und tierversuchsfreie Kondome

von KATJA BIGALKE

„Veni Vidi Vegi“: Ich kam, sah und ja – aß Salat? Wohl nicht: In dem Kellerladen mit dem cäsarisch-vegetarischen Namen gibt es nicht die Spur von Salat oder schrumpeligem Biogemüse. Der dunkle Raum ist voller Infobroschüren und Tierrechtsflugblättern. Da steht ein runder Tisch, eine alte Couch und ein paar zusammengewürfelte Stühle. „Der Vegan-Laden?“ Die beiden etwas ermatteten Ladenbetreiber weisen nach rechts auf einen Nebenraum. „Das hier ist der Anarchistische Infoladen. Dort ist der Vegan-Laden.“ Ach so.

„Dort“, das ist ein kleines Zimmer von acht Quadratmetern. Ikea-Kiefernholz-Regale auf Bastteppich. An der Decke eine Schablonenborte mit Elefanten, Löwen, Kühen und Giraffen. Veganer sind Tierfreunde.

Miriam, eine der Mitinitiatorinnen des Geschäfts, lehnt vor einem Poster mit einem rosa Schwein: „Die moderne Frau kocht ohne Sau“, steht darauf. „Der Laden hat zwei Prinzipien“, sagt Miriam. „Erstens: Wir verkaufen keine tierischen Produkte. Zweitens: Wir verkaufen keine Produkte mit Inhaltsstoffen, die nach 1979 an Tieren erprobt wurden. Das ist der schärfste Tierrechtsschutzstandard, den es in Deutschland gibt.“

Schärfster Tierrechtsschutzstandard im Geschäft führt zum Beispiel zu „Vegetarian Shoes“: Auf einer kleinen Bank stapeln sich die Doc-Martin’s-ähnlichen Schuhe. Etwas klobige Sandalen, Boots und Halbschuhe, die aussehen wie aus Leder, aber in Wirklichkeit aus dem Kunststoff „Vegetan“ gemacht sind. Laufen ohne Tiermordskrupel mit Schuhen, die zudem bis zu 80 Prozent biologisch abbaubar sind. Miriam: „Wir essen nicht nur keine tierischen Produkte, sondern vermeiden alle Produkte, bei denen Tiere für den Menschen ausgebeutet werden.“ Das heißt: kein Leder, keine Wolle, keine Seide. Miriam trägt eine Army-Hose, ein Baumwollshirt und Esprit-Stoffsandalen. So weit ganz einfach, das Sich-vegan-Kleiden. Schwieriger wird es bei der Hygiene.

Vegan waschen geht mit „Ulrich natürlich“ oder „Biokraft“. Die beiden Marken führen Waschmittel aus nachwachsenden Rohstoffen. „Tierversuchsfreie Waschmittel kriegt man sonst fast gar nicht“, klagt Miriam. „Ulrich natürlich“ ist zwar ohne Tierversuche, dafür aber auch ohne Geruch. Dem Duft in der Wäsche kann der Veganer mit Zitrus- oder Lavendelölen nachhelfen.

Insgesamt ist alles im Vegan-Laden etwa doppelt so teuer wie in normalen Läden. Aber das Anliegen sei den Preis wert, meint Miriam. Und für Leute, die das noch nicht verstanden haben, steht zwischen den Waschmitteln im Uraltdesign eine Postkarte mit Tierversuchskaninchen.

Der Gang um die Regale ist schnell gemacht. Vegane Zahnpastas, die nicht schäumen, vegane Kerzen, garantiert ohne Bienenausbeutung, und vegane Kondome, darunter genoppte mit dem Namen „Birds’n’ Bees und solche mit Aroma, die „Nam Nam“ heißen. Auch hat Veni Vidi Vegi eine kleine Bibliothek. In Kochbüchern kann man nachlesen, wie man Käse durch Hefeschmalz ersetzt oder Eier durch Sojamehl. Mit traurigen Augen blickt einem ein Zooelefant von einem Buchcover entgegen. „Fotografien von Tieren im Gefängnis“ lautet der Titel.

Die Stimmung im Vegan-Laden ist ein wenig bedrückend. Aber so soll das wohl sein. Die hauptsächlich vegane Kundschaft, die an diesem Tag nicht im Laden vorbeischaut, scheint jedenfalls ganz begeistert von der einmaligen Geschäftsidee. „Jippie . . . endlich habe ich vegane Stiefel“, schreibt Jessica im Gästebuch bei www.veganladen.de. Reina lobt die Produkte, die man sonst gar nicht bekommt. Für Tito ist die Sache klar: „Animal-Rights forever! Stay vegan.“

„Veni Vidi Vegi“, Rathenower Straße 22, 10559 Berlin. Öffnungszeiten: mittwochs und freitags 16–20 Uhr