Taktieren, schweigen, abwarten

Dass die Union bei ihrer Forderung nach Aufstockung der Mittel für die Bundeswehr keine Zahlen nennt, zeigt, dass sie den möglichen Konsens mit der Regierung in der Mazedonien-Frage nicht gefährden will

BERLIN taz ■ Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl Lamers, ist keiner, der für laute Worte bekannt ist. So fällt auch sein Appell an das rot-grüne Kabinett konziliant aus: „Die Regierung wäre gut beraten, für einen breiten Konsens zu sorgen und in der Finanzierungsfrage der Bundeswehr uns entgegenzukommen“, sagte Lamers gestern der taz. Sein Vorschlag: die Regierung soll die ohnehin für 2003 vorgesehene Erhöhung im Verteidigungshaushalt vorziehen. Von 2003 bis 2006 soll die Truppe 500 Millionen Mark mehr erhalten – genau jene Summe, die Exverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) seit Tagen als Grundlage für eine Zustimmung zum Mazedonieneinsatz fordert.

Lamers wollte sich nicht auf Zahlen festlegen: „Ich möchte das nicht zu einer Prestigefrage zwischen Regierung und Opposition machen.“ Es seien vielmehr „alle aufgefordert, sich um einen Konsens zu bemühen“.

Ähnlich äußerte sich CDU-Chefin Angela Merkel: Sie halte „einen außenpolitischen Konsens für vernünftig“. Es werde keine Opposition aus Prinzip geben. Damit widersprach sie indirekt einem gestrigen Bericht der Welt. Die Zeitung hatte geschrieben, Merkel wolle der Bundesregierung mit einem Nein ihrer Fraktion eine Schlappe beibringen und damit im innerparteilichen Kampf um die Kanzlerkandidatur Punkte sammeln. Das wies ein Sprecher Merkels zurück: „Wir entscheiden in der Sache“, sagte er der taz. Wie Lamers wollte auch Merkel keine Zahlen zur Finanzierung der Bundeswehr nennen. Das deutet darauf hin, dass sie Möglichkeiten für einen Konsens lassen will. Zumal gestern auch der Kanzler Gespräche vorschlug. Bislang lautet das Angebot von Finanzminister Hans Eichel: 120 Millionen einmalig für den Truppentransport und 15 Millionen Mark monatlich für die Stationierung der 500 Soldaten.

Der Unionsfraktion im Bundestag reicht das vermutlich nicht. Teilnehmer einer internen Debatte vor der Sommerpause berichteten, es habe sich eine Mehrheit abgezeichnet, die eine Besserstellung der Bundeswehr insgesamt verlange und nicht nur für das Mazedonienkontingent Extrageld locker machen wolle. Diese Fixierung auf eine grundsätzliche Anhebung des Wehretats teilen aber nicht alle.

In der SPD-Fraktionsführung hat man sich bis auf weiteres Schweigen auferlegt. Vor der Sitzung des geschäftsführenden Fraktionsvorstandes am Montag will man sich offiziell nicht äußern. Die Fraktionsspitze hofft jedoch, dass die Gruppe der rund 30 Einsatz-Gegner um den Abgeordneten Harald Friese schmelzen wird. Drei Dinge sprächen für eine derartige Einschätzung, heißt es: die Zurückhaltung der Nato im gesamten Verlauf des Konfliktes, die jüngste positive Erklärung des UN-Sicherheitsrates und das Gelingen des Friedensabkommens selbst, mit dem erstmals auf dem Balkan ein Abgleiten eines Staates in den Bürgerkrieg verhindert werden könne. Auch ist man in der Fraktion überzeugt, dass die Zeit für eine Sondersitzung des Bundestages – einschließlich der dafür notwendigen Ausschusssitzungen werden zwei Tage veranschlagt – genutzt werden könne, um in Einzelgesprächen die Gegner zum Einlenken zu bewegen. Bei derartigen Versuchen, die Skeptiker eines Einsatzes auf Linie zu bringen, könnte auch ein altes Mittel helfen: So ist im Gespräch, dass die Abgeordneten ihre Kritik am Einsatz lediglich zu Protokoll geben, ansonsten aber zustimmen.

Eine Beschlussvorlage für den Einsatz erarbeiten zurzeit führende Politiker von Grünen und SPD, wie es gestern in Berlin hieß. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele erklärte der taz, er wolle zunächst die Vorlage abwarten. Nach der „bisherigen Situation“ gebe es für ihn keinen Grund, von seiner ablehnenden Haltung abzuweichen. Es sei denn, der Beschluss enthalte die Forderung nach einem UN-Mandat. Doch danach, so Ströbele, sehe es „realistischerweise derzeit nicht aus“.

SEVERIN WEILAND