Ein rundes, dottergelbes Etwas mit Schaltern

■ Auch Schneewittchensärge und grausige Grillbestecke aus Keramik gab es: Beim 60er-Jahre-Flohmarkt im Park des Focke-Museums. Auch die taz stöberte in den Schätzen vom Dachboden

Der gemeine Dachboden riecht in aller Regel muffig. Es wimmelt von Spinnweben, Schätzen aus vergangenen Tagen und Kartons mit unbestimmtem Inhalt. Vielleicht sieht der Dachboden von Doris Bahrs ja genauso aus.

Auf jeden Fall gibt es dort Schätze, wie den schwarzen Picknicckoffer aus den 60ern. Ein ledernes Köfferchen mit zwei weißen Plastikthermoskannen an den Seiten – eine für Tee und eine für Kaffee – und einer Brotbüchse in der Mitte. Der Clou daran: An der Rückseite sind zwei Metallbügel angebracht, mit denen man die gesamte Apparatur an einen Autositz hängen kann. Doris Bahrs hat ihren Picknickkoffer am Samstag- Nachmittag zum Design-Flohmarkt im Park des Focke-Museums mitgebracht, einer kleinen, feinen Veranstaltung im Rahmen der „Wilden 60er“, die Bremens Kulturszene seit geraumer Zeit wieder aufleben lässt.

Doris Bahrs hat den Koffer nie benutzt, er gehörte den Großeltern – und in Kürze wem? Die Hobby-Händlerin erzählt, dass sie gerade selbst Glück gehabt hat: „Da kam eine Frau mit diesen beiden Nachttischlampen an“, beginnt sie und wickelt dabei aus einer Lage Zeitungspapier ein rundes, dottergelbes Etwas mit Schalter zum An- und Ausknipsen. „Zehn Mark wollte sie pro Lampe, sozusagen geschenkt. Meine Tochter hat auch chon Ansprüche angemeldet.“

Zwei Tische weiter wird über den Braun K3 gefachsimpelt. Kein Kleinwagen, sondern ein Plattenspieler, der – wie fast alles hier – schon über 40 Jahre auf dem Buckel hat. „Auf dem lief von Bill Haley bis Elvis eigentlich alles“, so die Besitzerin. „Es ist ein Stück für Sammler.“ Das gute Stück hat den stolzen Preis von 650 Mark. „Früher hat man die Dinger Schneewittchensarg genannt, wegen des Acryldeckels“, schaltet sich ein Besucher ein. Man gräbt in Erinnerungen.

Die K3-Besitzerin hat noch mehr aus ihrem Keller gekramt. Zum Beispiel eine Junghans Küchenuhr aus Keramik. „Heute gibt es die zwar wieder, aber nur aus Plastik.“ Kostenpunkt 90 Mark. Auch zwei Fernseher im Astronautenlook für je 180 Mark gibt es. „Der Große hier hat damals 459 Mark gekostet“, erklärt die K3-Dame und zeigt auf die Originalrechnung, die sich gerade noch an die Rückseite klammert.

Renate Bahns arbeitet im Focke-Museum. Auch sie hat zu Hause gesucht und ist fündig geworden. 20 ihrer alten Single-Schallplatten hat sie schon verkauft. Auf ihrem Tisch liegen noch Platten von bekannten Größen wie Rex Gildo und unbekannter Groß-Gewesenen wie Jupp Schmizz. Die Songs heißen „Yokohama Baby“ oder „Heut abend kommt die Liebe“. Renate Bahns' Stand ist preiswert, sie verkauft ihre Platten für zwei Mark das Stück. Sie sagt, früher hätten sie 2,90 Mark gekostet.

„Wir hatten so einen Dualplattenspieler, den man ans Radio gekoppelt hat. Den brauche ich heute auch noch, ich habe nämlich einen ganzen Koffer voller Platten zu Hause.“ Kein schlechtes Gewissen also, wenn sie jetzt ein paar ihrer alten Scheiben verkloppt. Man hat ja so viel angesammelt. Frau Bahns setzt ihre Brille auf, um ein vergilbtes Cover genauer zu inspizieren: „Pußta Fox, die Platte haben mir meine Eltern damals geschenkt. Hier steht sogar noch ,Toll!' als Anmerkung.“ Tatsächlich, einige der Platten sind mit Hinweisen oder sogar Widmungen versehen. „Für kl. Herbert, Frohe Ostern, April 1963.“ Sie wird sicher noch einige der Stücke los werden.

Doris Bahrs dagegen packt schon ihre Sachen. Sie hat den Picknickkoffer für 50 Mark verkauft. Ein Geschäft, das zufrieden stellt, der Koffer war noch sehr gut erhalten. Sie lächelt und packt ein grausiges Grillbesteck aus Keramik in die Kiste, in der auch schon die dottergelben Nachttischlampen auf ihren neuen Bestimmungsort warten. spo

Die nächste Gelegenheit zum Bad im 60er-Feeling besteht am 28. August: Um 19 Uhr startet eine Führung durch die Sonderausstellung „die 60er. Positionen des Designs“ im Focke-Museum.