Spielarten des Forte, rudernder Dirigent

■ Gehört: Krzysztof Pendereckis „Seven Gates of Jerusalem“ im Michel

Wer es bombastisch mag, war hier richtig: Krzysztof Penderecki dirigierte am Sonntag mit Hingabe sein monumentales Bekenntniswerk Seven Gates of Jerusalem in der Hauptkirche St. Michaelis. Dabei ließ der polnische Komponist sich nicht lumpen und lotete am Pult des Penderecki-Festival-orchesters genussvoll die Spielarten des Forte aus. Sehr zur Freude der Konzertbesucher, die am Ende mit viel Applaus und Standing Ovations feierten.

Mit rudernden Dirigierbewegungen lotste Penderecki die Musikermassen durch die sieben Sätze seiner Siebten Sinfonie, entstanden 1996 anlässlich der Feierlichkeiten zum 3000-jährigen Bestehen der Stadt Jerusalem. Seven Gates of Jerusalem besitzt Züge eines Oratoriums, sprengt aber insgesamt den Rahmen traditioneller Formen. Neben einem sehr groß besetzten Orchester fordert das Stück drei Chöre, fünf Gesangssolisten und einen Sprecher.

Im Michel zeigte sich der Kaunas-Chor mit über 60 Sängern seiner Aufgabe insgesamt gewachsen, wenn auch klanglich nicht immer homogen: Vor allem die Bässe tendierten zum unschönen Knarzen in der Tiefe, was im dritten Satz besonders auffiel, wo der Chor a cappella singt. Ansonsten überdeckte zumeist das Orchester diese Schwäche. Eine Menge Getöse gab es zu erleben, ein zusätzliches Bläser-Ensemble und vier Schlagzeuggruppen taten ihr Übriges. Besonders exotisch die Tubaphone im fünften Satz : Mit filzüberzogenen Fliegenklatschen bearbeiteten die Perkussionisten die Öffnungen jener Batterien riesiger Plastikrohre und erzeugten so schnelle Folgen dumpfer Klopfgeräusche. Im sechsten Satz rezitierte Sprecher Boris Carmeli mit angemessenem Pathos die Auferstehungsvison des Hesekiel. Das polnische Solistenquintett schließlich verfügte weitgehend über die nötigen stimmlichen Mittel, um sich gegen die Klangwogen und tönenden Attacken durchzusetzen. Der Sopran von Izabella Klosinska neigte allerdings zum Zu-tief-Singen.

Sei's drum: Die Akustik im Michel wirkte ohnehin wie ein Weichzeichner – jedenfalls auf der Südempore. Der Nachhall schichtete immer wieder eben Gehörtes und gerade Gespieltes eigenmächtig übereinander. Fiel dies bei den Seven Gates of Jerusalem nicht ganz so ins Gewicht, litt Franz Schuberts Messe in G-Dur (D 167) wegen ihrer kleinteiligeren Bauweise ganz enorm. Die rechte Innigkeit konnte sich unter diesen Bedingungen nicht einstellen. Penderecki und seine Musiker lieferten jedoch ohnehin eine insgesamt ziemlich zähe Interpretation ab – in Gedanken wohl schon beim nächsten Programmpunkt, den Seven Gates of Jerusalem. Dagmar Penzlin