Scharping auf einsamem Posten

Mit seinem Sozialhilfe-Vorstoß erntet SPD-Vizeparteichef Rudolf Scharping auch in den eigenen Reihen Kritik. Das Arbeitsministerium dementiert, dass junge Arbeitslose künftig per Vertrag in Jobs gezwungen werden sollten

BERLIN taz ■ Rudolf Scharping bekam gestern Rückendeckung von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Scharpings Sozialhilfe-Vorstoß, so Müntefering, sei Ausdruck besonderer Fürsorge für junge Arbeitslose. Vizeparteichef Scharping will junge Arbeitslose künftig auch für öffentlich geförderte Arbeiten wie den kommunalen Umweltschutz, Kranken- und Altenpflege heranziehen. Wer diese Jobangebote ablehne, solle vom Staat kein Geld mehr erhalten.

Besonderes Gewicht erhielt Scharpings Vorstoß dadurch, dass er als geschäftsführender Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission gesprochen hatte. Er hatte betont, seine Pläne würden von Kanzler Gerhard Schröder und Arbeitsminister Walter Riester mitgetragen.

Ein wenig überraschend wirkte daher gestern das Dementi aus dem Arbeitsministerium. Scharpings Vorschläge seien überholt, seine Forderungen bereits Praxis oder würden durch das geplante „Job-Aqtiv-Gesetz“ abgedeckt. Schon heute könne die Sozialhilfe gekürzt und in letzter Konsequenz auch ganz gestrichen werden, wenn Empfänger zumutbare Arbeit ablehnten, so ein Sprecher.

Nachdem Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Debatte über die Sozialhilfe neu entfacht hatte, gerät die SPD nun unter Druck. Die unionsgeführten Länder wollen bis spätestens Anfang 2002 einen Gesetzentwurf zur Sozialhilfe vorlegen. Scharpings Vorstoß wurde daher schon als Annäherung an die CDU-Linie interpretiert.

Falls Scharpings Vorschläge beim SPD-Parteitag eingebracht würden, „ werden wir eine sehr scharfe Debatte haben“, warnte prompt die sozialpolitische Sprecherin der SPD im hessischen Landtag, Petra Fuhrmann. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) hält die Regelung „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ dagegen für ein vernünftiges Prinzip bei Jugendlichen.

Kritik kommt auch von den Grünen. Deren sozialpolitische Sprecherin, Thea Dückert, bezeichnete die Pläne als „vollständig unausgegoren“. Die Debatte bekomme eine Schieflage, da Scharpings Vorschlag nur bei Jugendlichen ansetze und Sanktionen verstärken wolle, die bereits vorhanden seien. NM

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