HESSEN: MARLIS MOSIEK-URBAHN ZEIGT STÄRKE UND TRITT ZURÜCK: Nicht nur Liebe ist gefährlich
Die hessische Sozialministerin Marlies Mosiek-Urbahn (CDU) ist über die Liebe gestolpert. So ging es schon ihrer grünen Vorgängerin Iris Blaul, die von der damaligen CDU-Opposition rüde zum Rücktritt gedrängt wurde, weil sie mit einem ihr untergebenen Abteilungsleiter verbandelt war. Mosiek-Urbahn stilisierte sich nun zu einem „Glaubwürdigkeitsproblem“ für die christdemokratische Familienpolitik, weil sie, einmal geschieden, zum zweiten Mal verheiratet, eine außereheliche Affäre hatte. Fast unterwürfig argumentierte sie, dass sie nicht „im Wege stehen“ und nicht zu „einer Belastung für die überaus erfolgreiche Arbeit der Landesregierung werden“ wolle. Selbstquälerisch streute sie sich Asche aufs Haupt, als habe sie mehr gefrevelt als jeder Beteiligte am Schwarzgeldskandal der Union. Mag sein, dass die zurückhaltende und sensible Juristin einer mit gleicher Münze heimgezahlten Schlammschlacht um ihr Privatleben nicht gewachsen gewesen wäre. Die förmliche Rücktrittserklärung aber passt so gar nicht zu der als modern und liberal geltenden Politikerin. Eher schon, dass Mosiek-Urbahn von den eigenen Parteifreunden weggemobbt worden sein soll, wie ein Gerücht dieser Tage besagt.
Mobbing, resignierte Konsequenz eines zermürbenden Regierungsalltags oder plötzliche Überidentifikation mit konservativsten Werten, die Scheidung und Liebesaffäre zur Sünde werden lassen? Letzteres scheint tatsächlich unwahrscheinlich. Schließlich hatte es die ehemalige Sozialrichterin und Europaabgeordnete als Seiteneinsteigerin in der eingeschworenen Unions-Familie um Ministerpräsident Koch von Anfang an schwer. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, sie sei zu unentschieden, zu empfindlich und werde mit Anweisungen aus der Staatskanzlei geschurigelt.
Auch im eigenen Hause saß sie zwischen Baum und Borke – bei einem Mitarbeiterstamm, der jahrelang auf Rot-Grün eingeschworen worden war. Nur einmal konnte sie sich in zweieinhalb Jahren Amtszeit profilieren: im Kampf gegen die Maul- und Klauenseuche. In den letzten Wochen hat Roland Koch seine Sozialministerin völlig übergangen und öffentlich düpiert, indem er ihr Ressort zur populistischen Chefsache verkommen ließ. Kann sein, dass die Wahrheit immer eine Summe ihrer Teile ist. Dann könnte die vermeintlich weibliche Schwäche des Rücktritts eine Stärke der Marlies Mosiek-Urbahn sein. Jedenfalls wird sie sich nun nicht mehr als Staffage für eine kurzfristig verordnete Schau-Tournee zu den Sozialhilfeempfängern im gelobten Land Wisconsin missbrauchen lassen müssen. HEIDE PLATEN
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