Temporäre Hochburg des Tango

■ „Tango ist Poesie und ein Stück Alltag“: Interview mit José María Gordóbil, Veranstalter des heute beginnenden Internationalen Tango Festivals

José María Gordóbil, 55, in Argentinien geboren und ausgebildeter Jurist, lebt seit über 20 Jahren in Hamburg und arbeitet als Spanischlehrer und Übersetzer. Gemeinsam mit dem Profitänzer Alejandro Sanguineto betreibt er seit knapp fünf Jahren die Tanzschule „Universo Tango“.

taz hamburg: Warum ist der Tango gerade so populär – ist Hamburg eine Tango-Hochburg?

José María Gordóbil: Man redet zumindest viel über Hamburg in der Tango-Szene, aber auch Berlin ist ein wichtiger Tango-Standort in Deutschland. In diesem Monat, im August, ist Hamburg jedoch sicherlich die Tango-Hochburg nicht nur Deutschlands, sondern Europas. Denn derzeit gastiert Tango Pasión im Thalia Theater, eines der erfolgreichsten Tangoensembles der Geschichte. Und es ist ein glücklicher Zufall, dass parallel unser Festival stattfindet. Erst durch die großen Shows wurde das Interesse geweckt, Tango zu tanzen. Dort, bei den großen Ensembles, haben sich viele Leute die ersten Schritte abgeschaut, sich inspirieren lassen und sich dann nach einer Tangoschule umgeschaut. Und in Hamburg gibt es eine ganze Reihe.

Wer ist auf die Idee gekommen, ein solches Festival zu organisieren?

Es war meine Idee, die ich gemeinsam mit Alejandro, meinem Partner bei Universo Tango, entwickelt habe. Als wir mit der Schule 1998 angefangen haben, kam mir die Idee eines kleinen Festivals. Ich dachte, dass wir reif genug seien, so etwas zu organisieren. Einige Monate zuvor waren wir gemeinsam in Spanien auf einem Tango-Festival und danach haben wir die Idee langsam konkretisiert. Von vornherein war uns klar, dass wir dazu Tanzpaare aus Argentinien einladen. Und wir hatten uns entschieden, neben dem Tanz auch ein kulturelles Begleitprogramm anzubieten: Eine Kinoreihe, Ausstellungen, Vorträge, Videos und Fotoausstellungen bildeten 1998 das Rahmenprogramm. Wir von Universo Tango verstehen uns nicht als Tanzschule, sondern als Kultureinrichtung. Zumindest bilden wir uns das ein.

Haben Sie auch in diesem Jahr internationale Stars aus Argentinien eingeladen?

Ja natürlich, das ist ein wichtiger Bestandteil unseres Festivals. In diesem Jahr sind Gustavo Russo und Alejandra Mantiñán dabei, die jahrelang die Stars von Tango Pasión waren. Insgesamt sind es sechs Paare, die aus Buenos Aires kommen werden. Allesamt sind weltbekannt und werden in den Tanzkursen, die Bestandteil des Festivals sind, auch Unterricht geben.

Welche Tango-Orchester spielen?

Beim Eröffnungsball spielt Humberto Cosentino mit seinem Trio Guardia Vieja. Humberto ist Argentinier, der in Süddeutschland lebt und dort ein Trio zusammengestellt hat. An den folgenden beiden Tagen spielt das Sexteto Andorinha. Das ist eine deutsche Gruppe, die sehr bekannt ist und viele Tangopreise gewonnen hat. Und für den letzten Abend haben wir das Sexteto Canyengue gewonnen, das aus Amsterdam kommt und zu den besten Tangogruppen der Welt gehört. Bandleader Carel Kraayenhoff hat mit Astor Piazzolla gespielt und gilt als experimentierfreudig.

Inwiefern unterscheidet sich die Show von Tango Pasión vom Tango, den Sie hier unterrichten?

Es gibt die Tango-Show, die wir auf der Bühne sehen, und den Tango-Salón, den wir hier tanzen – den Tango, den wir alle tanzen können. Die Paare, die zu uns kommen, haben in der Regel nicht vor, auf die Bühne zu gehen. Hier geht es nicht um Choreographie, sondern um die Lust am Tanzen.

Somit ist der Tango, den Sie hier unterrichten, der ursprünglichere?

Ja, auf jeden Fall. Totzdem ist es natürlich der gleiche Tanz, den wir hier tanzen und der im Thalia Theater getanzt wird und natürlich auch die gleiche Musik. Unser DJ beim Tango-Festival wird auch Piazzolla, Carlos Gardel, Stamponi oder Discépolo spielen.

Was ist die Essenz des Tangos?

Tango ist eine Ausdrucksform, die viele Menschen für sich entdeckt haben und für viele ist Tango eine Sucht, von der sie nicht lassen können und die sie ausleben. Die Faszination der Musik und die eleganten Bewegungen, die Leidenschaft des Tango, das steckt an. Doch Tango ist nicht allein Tanz, er ist Musik und Poesie und ein Stück Alltag der Argentinier. In den Texten findet sich viel vom Leben der Leute. Tango ist eine Art und Weise, Argentinier zu sein.

Welche Bedeutung hat der Tango für Sie persönlich?

Mich fesselt die Poesie des Tangos, die Gedichte, aus denen viele Texte bestehen. Die Thematik des Tangos, die Liebe, der Tod, Nostalgie und Erfahrung, liebe ich. Für mich ist es ein Glück, dass ich die Möglichkeit habe, ihn hier zu tanzen. Interview: Knut Henkel

Internationales Tango Festival Hamburg: Eröffnungsball, Do, 21 Uhr, Handwerkskammer (Holstenwall 12); Tangoshow und -ball: Fr + Sa, 21.30 Uhr, Mozartsäle (Moorweidenstr. 36); Abschiedsfest: So, 21 Uhr, Fabrik