Todesurteil in Pakistan

Ein Gericht in Rawalpindi verurteilt einen Arzt wegen angeblicher Blasphemie. Dabei ist er gläubiger Muslim. Liberale Bürger fürchten, dass Konservative aus dem Land einen Gottesstaat nach dem Vorbild der afghanischen Taliban machen wollen

aus Delhi BERNARD IMHASLY

War der Prophet Mohammed ein Muslim vor seinem vierzigsten Lebensjahr, als ihn eine Erleuchtung zur Gründung der islamischen Religion führte? Waren die Eltern des kleinen Mohammed Muslime? Wer diese Fragen mit Nein beantwortet und in Pakistan wohnt, dem droht die Todesstrafe. Ein Gericht in Rawalpindi hat den Arzt Muhammad Junus Schaich zum Tod durch den Strang verurteilt, weil er „abfällige Bemerkungen über den Propheten“ gemacht hatte. Damit sei der Tatbestand der Blasphemie erfüllt.

Dr. Schaich, ein Physiologie-Professor in Islamabad, hatte im letzten Oktober im Rahmen eines Seminars über vorislamische Bräuche im Arabien des 7. Jahrhunderts diese Fragen gestellt und sie mit Nein beantwortet. Er hatte auch die Frage diskutiert, ob die Araber ihr Schamhaar rasiert hätten, bevor der Islam dieses Gebot einführte. Studenten, die der Vorlesung angeblich nicht beigewohnt hatten, hinterbrachten die Bemerkungen einer Gruppe islamischer „Gelehrter“. Diese verklagten den Arzt vor Gericht, gaben aber gleichzeitig zu verstehen, sie selber würden Schaich umbringen, falls er freigesprochen werde.

Organisationen wie amnesty international und die Nationale Menschenrechtskommission von Pakistan haben gegen das Urteil protestiert. I.  A. Rehman, der Direktor der Kommission, kritisierte, dass das Gesetz zum Schutz des Propheten in den Händen skrupelloser Personen zu einem Mittel der Unterdrückung oder gar persönlicher Abrechnungen verkommen sei. Laut Zeitungsberichten in Pakistan ist Schaich, ein prominenter Friedensaktivist, den lokalen Islamisten seit langem ein Dorn im Auge. In einem Interview vor seiner Verurteilung bekannte er sich aber als tiefgläubiger Muslim, dem es nie in den Sinn käme, seinen Glaubensgründer zu verhöhnen. Er habe auf Fragen seiner Studenten lediglich historische Tatsachen festgestellt.

Der Anwalt von Dr. Schaich hat angekündigt, sein Klient werde Berufung einlegen. Falls auch die nächste Instanz das Urteil bestätigt, kann er an das Oberste Gericht appellieren, und als letzte Chance kann er beim Staatspräsidenten ein Begnadigungsgesuch stellen. Schaich ist nicht der einzige Pakistaner, über dessen Kopf der Strang baumelt. Gegenwärtig sind eine Reihe von Urteilen, vor allem gegen Christen und islamische Sekten, bei verschiedenen Instanzen anhängig. Bisher wurde noch kein Todesurteil vollstreckt. Doch jeder neue Fall schüchtert die Minderheiten tiefer ein und schürt die Angst in liberalen Kreisen. Diese sehen im Blasphemiegesetz eine Waffe in den Händen der Islamisten, die aus Pakistan einen bigotten Staat machen soll, wie ihn die Taliban in Afghanistan praktizieren.